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    Nichts hat mehr Bestand

    Gespräch mit FJØRT

    Die Band im Sturm des Daseins © Sophia Roßberg

    Mitte Januar kommen die heldenhaften Krachmacher von FJØRT über unsere kleine dürstende Gemeinde. Es wird laut und zornig und poetisch und stark. Und da Ahoi-Redakteur Volly Tanner immer nach den echten Perlen vor den Sauen sucht, erklomm er Tastaturenberge und brachte die Aachener zu einem Email-Interview:


    Ahoi: Saluté, FJØRT. Ihr seid am 19. Januar 2023 in Leipzig, im Werk II zugange, um Zorn und Widerspruch auf die Bretter zu bringen. Die Tournee jedoch heißt „nichts hat mehr bestand“. Gar nichts?

    FJØRT: Das neue Album handelt in weiten Teilen vom Beiseiteschieben von den Vorhängen, die alles, was in der Welt passiert und was mensch selbst tut, nur allzu gut kaschieren und verklären. Je eingehender mensch sich damit beschäftigt, desto schwerer wird die Aufgabe, Dinge zu sehen die Richtung Hoffnung zeigen. Diese Desillusionierung und das Gefühl was dadurch aufkeimt, hat diese Zeile aus dem Schlusslied des Albums für uns perfekt zusammengefasst.

     

    Ahoi: Das Album ist mit Meldung vom 21. November 2022 auf Platz 08 der Albumcharts gelandet. Wow! Nur blicke ich persönlich nicht mehr bei den Charts durch. Wer legt denn die Albumcharts fest? Wo kann man diese nachlesen und wie viel Wert haben Chartplatzierungen für euch?

    FJØRT: Da blickt keiner durch. Es gibt da komplizierte Formeln, die sich irgendwie aus Streamzahlen und verkauften Tonträgern zusammensetzen. Letztlich bedeutet eine so hohe Platzierung für eine Band wie uns, dass viele, viele Menschen unser Schaffen unterstützen, indem sie das Album kaufen, anhören, und es weitererzählen. Das macht sehr demütig und dankbar. Wir machen das Ganze hier, weil wir vor 10 Jahren, ebenso wie heute, Bock hatten uns in intensiver Schreimusik zu verlieren. Das war und ist der Motor. Dieser Support der Leute gibt uns mit auf den Weg: „Hey, ihr macht das gut was ihr tut, macht bitte weiter." Das ist ein sehr schönes Gefühl.


    Ahoi: Ihr kommt aus Aachen. Da bin ich mal in den 90gern aufgetreten, damals mit dem Aachener Autoren Tuberkel Knuppertz, der ja auch mal bei der Band „1. Mai 87“ schlagzeugte. Damals schien mir die Szene Aachens sehr männlich. Hat sich das geändert? Wie ist es mittlerweile, in Aachen zu leben?

    FJØRT: Es gibt in Aachen als Institution für Musikkultur verschiedenster Art den Musikbunker, in dem auch unser Proberaum ist und in dem viele Konzerte und Parties stattfinden, neben u.A. dem AZ und einer Hand voll anderer kleiner Läden. Trotzdem ist es so, dass es früher eine lebhaftere Szene gab als heutzutage. Mensch kriegt weniger mit von Bands und Künstler*innen, die hier und vielleicht auch überregional aktiv sind. Generell ist alles abseits der Männlichkeit in der Musikwelt nach wie vor unterrepräsentiert, wobei hier die Tendenz aber schon in die richtige Richtung zu gehen scheint und erfreulicherweise immer mehr Musiker*innen in verschiedenen Genres präsent sind.

     

    Ahoi: Ich las als Etikett über euch den Begriff Post-Hardcore. Was ist das denn? Ist Hardcore schon so tot, dass es Post braucht? Was ist denn FJØRT für die, die euch noch nie gehört haben und trotzdem in euer Konzert kommen sollen?

    FJØRT: Etiketten vergeben ist glaube ich das, wodrin Bands selbst am schlechtesten sind. Entstanden ist diese Band, weil wir drei gerne laute Musik mit emotionalen Texten machen wollten. Etwas Intensives als Ventil und Vehikel für alles, was raus muss. Mensch denkt eigentlich nie darüber nach, in welche Schublade mensch damit jetzt reinpasst. Ich bin auch bei Weitem kein Experte für Musikgenres. Hardcore fühlt sich aber irgendwie nicht so richtig an, denn wenn ich das was wir machen beschreiben müsste, würde ich sagen: Kälte, Weite, Atmosphäre. Eben wie so ein skandinavisches Gewässer.

     

    Ahoi: Derzeit live zu touren scheint ja sehr krisenbehaftet zu sein, der Kartenverkauf schleppt sich – außer bei Schlager – Fachkräfte im Veranstaltungs- und Technikbereich sind abgewandert. Habt ihr da auch Erfahrungen machen müssen? Wenn ja welche?

    FJØRT: Es ist im Moment sehr krass, dass eigentlich kein Tag vergeht, ohne irgendeine Tourneeabsage oder -verschiebung. Dass Leute umschulen mussten, weil sie kein Fuß mehr in der Branche fassen konnten. Mensch kriegt die Schwierigkeiten an allen Ecken mit. Wir sind sehr froh, dass unsere Crew weiterhin mit uns losfahren kann, also die "Familie" immer noch komplett an Bord ist. Nach jetzigem Stand sieht es auch für unsere anstehende Tour so aus, dass sie mit allen Gewerken gut machbar sein wird. Aber mensch will sowas ja nicht beschreien. Danke an jeden und jede, die Bock hat vorbeizukommen!

     

    Ahoi: Gibt es eigentlich eine Vorband? Wenn ja, wer darf denn vor euch das Pogovolk erhitzen?

    FJØRT: Ja - wir sind da aktuell noch in Gesprächen, aber noch ist nicht alles in trockenen Tüchern. Ich denke, in den nächsten Wochen können wir da schon mehr verraten.

     

    Ahoi: Die Kommunikation betreibt für euch Fleet Union. Was ist das denn für eine Truppe und wie läuft das Miteinander für euch?

    FJØRT: Es ist immer sehr schön, wenn mensch in dem ganzen Musikrummel Leute schon über lange Zeit kennt. Benjamin von Fleet Union kennen wir z.B. über seine Band City Light Thief, mit der wir uns schon vor rund einem Jahrzehnt mit unseren alten Bands Bühnen und Kaltgetränke geteilt haben. Dann haben sich die Wege irgendwann über das Grand Hotel van Cleef wieder mit Fleet Union getroffen. Benjamin macht u.A. die ganze Orga rund um Interviews und schreibt Pressetexte - Dinge, bei denen wir froh sind, dass sie uns jemand wie Benni abnimmt, der das gut kann.

     

    Ahoi: Dann hoffen wir mal, dass es am 19. Januar richtig zur Sache gehen kann. Auf denn. Und nicht aufhören!

    FJØRT: Wir sind guter Dinge. Danke an alle die reinschauen und euch für's Interesse an dieser Kapelle!

    FJØRT im Netz:

    fjort.de

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