Leipzig ist überhaupt nicht der Mittelpunkt des Universums. Für Menschen in Brno ist dies eher Brno und für Menschen in Lyon Lyon. Gut deshalb, dass es Städtepartnerschaften gibt, auch um die eigene Denkblase mal zu verlassen. Die Städtepartnerschaft zwisachen Leipzig und Brno feiert gar 2023 50jähriges Jbiläum. Ahoi-Redakteur Volly Tanner traf Stefanie Bose, die fleißig am Fest arbeitet:
Ahoi: Guten Tag und Ahoj, Stefanie.
Stefanie Bose: Ahoj, das passt sehr gut zum Thema. Denn in Tschechien ist das der übliche Gruß für Hallo und Tschüss, obwohl es gar kein Meer gibt in unserem Nachbarland.
Ahoi: Was ist denn deine Verbindung zu Tschechien?
Stefanie Bose: Ich bin seit vielen Jahren eng mit Tschechien und auch der Slowakei verbunden. Ich stamme zwar aus keinem der Länder und lebe seit fast 20 Jahren in Leipzig, aber durch mein Studium der Westslawistik (Sprache, Kultur und Literatur Tschechiens, der Slowakei und Polens) haben sich mir verschiedene Möglichkeiten eröffnet. Bevor ich damals zum Studium nach Leipzig kam, habe ich ca. 1,5 Jahre über einen Freiwilligendienst in der Ostslowakei verbracht habe. Eine Erfahrung, die mich sehr geprägt und meine Liebe zu den slawischen Sprachen entfacht hat. Dass ich meine im Studium erworbenen Kenntnisse auch heute noch anwenden kann, ist auch nicht unbedingt selbstverständlich bei einer so ungewöhnlichen Studienwahl.
Heute arbeite ich als Sprach- und Kulturmittlerin für Tschechisch und Slowakisch, übersetze, dolmetsche und unterstütze verschiedene Projekte, beispielsweise arbeite ich für den Honorarkonsul der Slowakei in Leipzig und unterstütze die Stadt Leipzig seit vielen Jahren in der Partnerschaft mit Brno in Tschechien. In diesem Jahr: insbesondere das Jubiläum der Städtepartnerschaft. 2023 ist nämlich bereits der 50. Geburtstag dieser Zusammenarbeit, der von den Referaten für Internationale Zusammenarbeit der Städte Leipzig und Brno koordiniert wird.
Ahoi: Im November letzten Jahres wurde der Verein „Städtepartnerschaft Leipzig – Brno e. V.“ neu gegründet. Da gab es doch schon mal einen Verein. Was ist denn mit diesem geschehen?
Stefanie Bose: Die Städtepartnerschaft ist, wie erwähnt, schon sehr alt. Aber auch vor der offiziellen Gründung gab es Kontakte und Austausch mit Brno. Über die Jahre haben sich ganz unterschiedliche Akteure in diesem Bereich engagiert und es sind auch viele Freundschaften und persönliche Kontakte entstanden. Der ehemalige Verein hat sich damals aus einer Initiative der Diakonie der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens und der Tschechoslowakisch Hussitischen Kirche in Brno entwickelt, die schon zuvor eng im Bereich Altenpflege zusammenarbeiteten. 2006 wurde dann der Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Leipzig-Brno e. V. in Leipzig gegründet. Bis 2016 hat der Verein die Beziehungen zu Brno sehr unterstützt, viele eigene Projekte durchgeführt und auch mit anderen Institutionen in Brno und Leipzig zusammengearbeitet und so wirklich maßgeblich zur Entwicklung der Partnerschaft beigetragen. Leider ist es nicht gelungen, die Mitgliederbasis so zu erweitern, dass der Verein erhalten werden konnte. Der damalige Vorsitzende hat dann sein Amt niedergelegt und den Verein aufgelöst.
Ahoi: Und wir kam es dann zur Neugründung?
Stefanie Bose: Ich bin schon seit vielen Jahren mit der Stadt Leipzig im Kontakt, weil ich u. a. 2013, aufgrund meiner Tschechisch-Kenntnisse, bereits das 40. Jubiläum der Städtepartnerschaft mit betreut und konzipiert habe. Ich war dadurch oft in Brno und konnte viele engagierte Menschen kennenlernen, die die Partnerschaft mitgestalteten.
Jedenfalls haben wir – verschiedene interessierte Leipziger, die mit Tschechien verbunden sind und die Stadt – schon lange überlegt, den Verein neu zu gründen, aber es haben sich nie genügend Menschen getraut. Im Herbst 2021 haben wir dann ein erstes Treffen veranstaltet und uns entschieden, im Hinblick auf das Jubiläumsjahr eine Vereinsgründung zu versuchen. Das ganze letzte Jahr 2022 haben wir intensiv daran gearbeitet, ein Konzept zu erstellen, eine Satzung auszuarbeiten und die rechtlichen Bedingungen zu recherchieren. Das hieß sehr viel lesen und diskutieren, uns über die Ziele und Aufgaben des zukünftigen Vereins klar werden… sehr viel Arbeit eben. Dann endlich im November 2022 haben wir die Gründungsversammlung durchgeführt. Damit ist der Verein offiziell gegründet. Momentan läuft aber noch die Anmeldung beim Amtsgericht, um auch e. V. zu sein und dann folgt noch die Anerkennung der Gemeinnützigkeit beim Finanzamt, usw. Ein langer Weg, aber wir freuen uns, trotzdem in diesem Jahr schon mehrere Projekte sowie Veranstaltungen durchzuführen und sind sehr motiviert.
Ahoi: Und jetzt bist Du Vereinsvorsitzende, wenn ich richtig informiert bin. Was sind denn die nächsten Höhepunkte des Vereins?
Stefanie Bose: Ja, ich bin zur Vereinsvorsitzenden gewählt worden. Ich habe wohl allzu oft meine Meinung geäußert und meine Ideen eingebracht. Das hat den Eindruck erweckt, dass ich kompetent genug bin für das Amt. (lacht!) Ich freue mich auf die Aufgaben und bringe auch ein gewisses Organisationstalent mit. Aber natürlich habe ich auch einen Stellvertreter und eine Schatzmeisterin, mit denen ich mich eng austausche und regelmäßig treffe, um den Verein voranzubringen. Insgesamt sind wir ein Team von zwölf Leuten.
In der ersten Jahreshälfte sind wir noch mit der Strukturierung des neuen Vereins beschäftigt und müssen Aufgaben verteilen, unsere Internetseite mit Inhalten füllen, Fördergelder beantragen und die Projekte für das zweite Halbjahr vorbereiten.
Ahoi: Wie können sich denn Brno-Interessierte beteiligen?
Stefanie Bose: Wir planen im März oder Anfang April, ein Vereinstreffen zu organisieren, zu dem auch (neue) Interessierte herzlich eingeladen sind. Das ist eine gute Möglichkeit, uns kennenzulernen und Ideen einzubringen. Wer Interesse hat, kann uns gerne anschreiben. Wir sind auch auf Facebook aktiv. Demnächst richten wir einen Newsletter ein, um die Veranstaltungshinweise zum Jubiläumsjahr publik zu machen. Wir freuen uns über jeden, der uns aktiv unterstützen oder sich mit uns vernetzen möchte. Da wir noch neu sind und es keine eingefahrenen Strukturen oder Traditionen gibt, ist Vieles möglich und hängt von dem individuellen Engagement und den Interessen der Mitwirkenden ab. Herzlich willkommen an jeden, der eine Leidenschaft zu Brno und/oder Tschechien hegt!
Ahoi: Im April ist ja die Buchmesse ein fester Termin in Leipzig, den man nicht verpassen sollte. Gibt es da auch eine tschechische Beteiligung?
Stefanie Bose: Auf jeden Fall. Literatur ist in der Städtepartnerschaft schon lange ein fester und präsenter Bestandteil, nicht zuletzt seit dem Tschechischen Kulturjahr 2019 in Leipzig. Es wird mehrere Lesungen mit tschechischen Autorinnen und Autoren geben. Am Donnerstag wird dann 13:00 Uhr der tschechische Nationalstand auf der Messe eröffnet und aus Brno kommt zur Feier des Jubiläumsjahres eine städtische Delegation unter Leitung der Oberbürgermeisterin. Zu der Zeit wird es im Mädler Art Forum auch eine Ausstellung zur Brünner Villa Tugendhat geben, die mit auf dem Programm steht. Und wir als Verein wollen uns auch gerne der Stadt Brno vorstellen und Kontakte aufnehmen.
Ahoi: Das Jubiläumsjahr geht ja noch bis Ende 2023. Was erwartet uns Hierige denn noch so Schönes: kulturell und auch so – aus dem neuen Verein heraus?
Stefanie Bose: Zum Jubiläumsjahr „50 Jahre Städtepartnerschaft Leipzig – Brno“ haben wir als Höhepunkt eine Bürgerreise in der Planung. Wir wollen im Oktober mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern aus Leipzig für 4-5 Tage nach Brno fahren und die Partnerstadt (neu) entdecken. Im Vordergrund steht dabei der Austausch mit Akteuren vor Ort, zum Beispiel dem Kulturverein der Deutschen in der Region Brünn, den wir sehr gerne kennenlernen wollen. Fehlen darf aber natürlich keinesfalls der Besuch der berühmten Bauhaus-Perle „Villa Tugendhat“ (Architekt: Ludwig Mies van der Rohe). Interessant wird der Besuch auch dadurch, dass gleichzeitig eine Delegationsreise der Stadt Leipzig unter Leitung von Oberbürgermeister Burkhard Jung stattfindet und das MDR-Sinfonieorchester ein Gastkonzert in der Filharmonie Brno gibt. Es wird ein tolles, abwechslungsreiches Programm.
Aber auch in Leipzig planen wir Veranstaltungen. Wir beteiligen uns am Lesefest des LeseLust Leipzig e. V. „LeseLust im Augst“ mit tschechischen Kinderbüchern und Autorinnen und planen verschiedene kulturelle Beiträge für den Familiensommer auf dem Burgplatz. Vielleicht organisieren wir noch eine Lesung oder einen Vortrag, einen deutsch-tschechischen Spielenachmittag, einen gemütlichen Stammtisch oder einen Brno-Abend. Ideen gibt es viele.
Insgesamt gibt es Austausch aber auf den verschiedensten Ebenen: städtischer Fachaustausch, Film, Umwelt, Kunst, Musik, Theater, Schulprojekte, Erinnerungskultur, … Brno beteiligt sich an der Jüdischen Woche in Leipzig und aus Leipzig sollen Akteure zu ähnlichen Veranstaltungen in Brno fahren. Und im Dezember gibt es einen spannenden Abschluss in der Schaubühne Lindenfels mit dem Theater „Divadlo husa na provázku“ aus Brno. Das bereiten vor allem die Referate für Internationale Zusammenarbeit der Städte Leipzig und Brno vor, aber der Verein wird hier natürlich mit unterstützen.
Das aktuelle Jubiläumsprogramm, das die verschiedensten Veranstaltungen sowohl mit Bezug zu Brno und zu Tschechien allgemein in Leipzig und teilweise darüber hinaus als auch in Brno zusammenfasst, findet man auf der Seite der Stadt Leipzig www.leipzig.de/bruenn. Es wird immer wieder aktualisiert. Vorbeischauen lohnt sich also.
Ahoi: Danke und Ahoj in deine Richtung, liebe Stefanie.
Stefanie: Ahoj und vielen Dank für das Gespräch. Alle sind natürlich herzlich zu den Veranstaltungen eingeladen und wir freuen uns auf neue Kontakte und viele spannende Vereinsjahre!
