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    Arbeiten, durchhalten, Geduld haben und sein Ziel nicht aus den Augen verlieren

    Gespräch mit der freien Künstlerin Nadine Lossie

    Nadine Lossie a.k.a. L’art de Lossie © L’art de Lossie

    Bevor Corona den Kulturbetrieb auf null bremste, war Leipzig ein Mekka, ein Eldorado der freien Kunst. Die Märkte wurden immer größer, das Publikum vielfältiger und den Kunstschaffenden klingelte auch der Beutel in schönstes Tönen. Dann folgte Krise auf Krise und Schmalhans wurde wieder Küchenmeister. Deshalb braucht es neue Ideen und frisches Blut. Nadine Lossie ist solch eine neue Protagonistin, von der noch viel zu erwarten sein dürfte. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit ihr:

    Ahoi: Guten Tag, Nadine Lossie. Du bist freie Künstlerin, agierst unter dem Label L‘art de Lossie und verschönst die Welt mit Deinen Bildern. Doch vor der Freiberuflichkeit hast Du schon andere Wege beschritten. Kannst Du uns etwas über Deine Laufbahn bis hin zu Deiner Freiberuflichkeit erzählen?

    L’art de Lossie: Hallo, es freut mich, hier zu sein. Mein Weg vor der Freiberuflichkeit war tatsächlich ein langer Weg. Um ehrlich zu sein, habe ich mir den Traum, einmal nur Künstlerin zu sein, nie erlaubt, zu Ende zu denken. Ich habe mich auch sehr lange nicht als Künstlerin verstanden, weil ich ein festes Bild von einer Künstlerin hatte, in das ich nicht hineinpasste. Aber ich wollte eine kreative Tätigkeit und machte somit eine Ausbildung zur Gestaltungstechnischen Assistentin für Grafik und Design, um festzustellen, dass ich das vielleicht kann, aber meinen Ansprüchen nicht genügte und es nicht meine Art der Kreativität war. So entschied ich, mein Abitur im zweiten Ausbildungsweg am Kolleg Leipzig nachzuholen, um die Voraussetzung zu erhalten, als Lehrerin für Deutsch und Kunst arbeiten zu können. Auch wenn ich mich zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht als Künstlerin sah, so wollte ich die Begeisterung dafür schaffen und Kindern eine Möglichkeit geben, sich auszudrücken. Das Studium war eine Sache für sich und ging eindeutig viel zu lang, was an persönlichem Gründen wie auch Corona lag. Dies hat mir aber gezeigt, dass Kunst für mich wesentlich mehr ist als nur ein Hobby. Ich habe im Anschluss meines Studiums als Schulbegleitung gearbeitet und aus diesen Erfahrungen heraus für mich entschieden, dass ich gerne lehre, es aber nicht meine Leidenschaft ist. Die Arbeit als Schulbegleitung, wie auch als Lehrer und Pädagoge, ist eine sehr wichtige Arbeit, aber keine Arbeit, bei der ich gesund geblieben wäre.

    Als der Vertrag auslief, bot sich mir die Möglichkeit, mich komplett neu zu orientieren und einen Traum zu leben und nun geht es mir besser denn je, auch wenn natürlich nicht alles einfach ist und es noch viele Hürden geben wird.

    Ahoi: In der Rubrik „Skizzen des Alltags" auf Deiner Homepage findet sich unter anderem ein Bild einer Band im Tonelli´s. Was verbindet Dich denn mit dieser feinen Lokalität?

    L’art de Lossie: Das Tonelli‘s war über viele Jahre eine Art „zweites Wohnzimmer“ für mich. Auch heute noch fühlt es sich wie ein kleines Stück zu Hause an, auch wenn ich bei weitem nicht mehr so oft dort bin.

    Bereits vor meinem Studium verbrachte ich mit Freunden und Familie den einen oder anderen Abend dort bei guter Live-Musik. Und später war es nicht nur ein Ort, wo ich gerne meine Freizeit verbracht habe, sondern auch meine Arbeitszeit. Ich habe beruflich als auch privat dort viel erlebt und bin für jeden Abend im Tonelli‘s dankbar. Ich liebe diesen Laden, die Menschen dort, die Musik und die Atmosphäre.

    Und ja, bei manchen Konzerten packt es mich und ich beginne, währenddessen zu zeichnen, mittlerweile habe ich schon eine kleine Sammlung.

    Also für alle Musikliebhaber ist das Tonelli‘s eine klare Empfehlung von mir.

    Ahoi: Welche Themen bearbeitest Du in Deiner Kunst?

    L’art de Lossie: Meine Kunst ist vor allem emotional geprägt. Oft geht es um zwischenmenschliche Kommunikation auf verbaler und non-verbaler Ebene. Mimik und Gestik sagen viel mehr aus als jedes Wort der Welt. Gleichzeitig funktioniert die non-verbale Kommunikation auch über Länder- und Sprachgrenzen als auch über gesellschaftliche Grenzen und Generationen hinweg.  Dies ist eine Faszination, die mich nicht loslässt.

    In einem neueren Projekt arbeite ich gerade an der Thematik der Selbstreflexion; wie man sich selbst wahrnimmt und wie man von seinem Umfeld gesehen wird. Dabei geht es um die Auseinandersetzung mit seinem Selbstbild, seinen eigenen Erwartungen und Wünschen und wie diese mit dem Fremdbild, den Erwartungen des Umfelds und gesellschaftlichen Zwängen kollidieren können. Und auch hier spielt die zwischenmenschliche Kommunikation wieder eine Rolle, weil sie ein elementarer Bestandteil unseres Lebens ist.

    Viele Motive beschäftigen sich aber auch mit Orten, Situationen oder Gedichten, welche mich privat emotional ansprechen und die ich mit vielen schönen Momenten und Erfahrungen verbinde.

    Aber egal, wie meine Motivauswahl ausfällt und welche Thematiken ich wähle, sie sind immer emotional geprägt und aus meinem eigenen Erfahrungsschatz und meiner ganz persönlichen Lebenswelt.

    Ahoi: Und wer kauft Deine Bilder? Und wo?

    L’art de Lossie: Aktuell verkaufe ich meiner Bilder selbst z.B. über meinen Etsy-Shop. Unter „L’art de Lossie” ist die Verlinkung auf Pinterest, Instagram, Facebook oder meiner Webseite zu finden. Ansonsten verkaufe ich meine Bilder direkt auf Kunstmärkten oder Mittelaltermärkten. So durfte ich im vergangenen Jahr mit Art Days Leipzig zusammenarbeiten, als auch meinen Stand zum Leipziger Dark Markt aufbauen, wie auch in Wittenberg zu „Luthers Hochzeit“, in Rüdersdorf im Museumspark, als auch im alten Kranwerk Naunhof zum Weihnachts- und Oster-Faktum. Ich konnte dank so vielen Menschen so vielen unterschiedlichen Erfahrungen sammeln und mich daraufhin weiterentwickeln und weitere Kontakte knüpfen und plane natürlich meine künstlerische Präsenz zukünftig auszuweiten und auch Ausstellungen und Galerien mit einzubinden.

    Ahoi: Du bietest auch Workshops an, wenn ich richtig informiert bin. Welche denn und wann und für wen und was kostet das?

    L’art de Lossie: Ja, das ist richtig. Ich biete mobile Workshops an zum Thema Druckgrafik. Das Angebot richtet sich dabei nach der jeweiligen Zielgruppe und deren Fähigkeiten. So biete ich die Workshops für Kindergartenkinder, Grundschüler/innen, Jugendliche bis hin zu Rentner/innen an. Ich fahre dabei die jeweiligen Institutionen oder Veranstaltungen an und bringe dabei alle notwendigen Materialien mit. Thematisch hängt das Angebot von den Fähigkeiten der Teilnehmenden ab. So biete ich die Möglichkeit zum experimentellen Drucken, indem man mit unterschiedlichen Alltagsgegenständen Spuren hinterlässt. Ein anderes Angebot wäre die Arbeit im Bereich des Hochdruckes, in dem ich den Teilnehmenden den Linoleumdruck nahebringe. In einem mehrtägigen Workshop besteht auch die Möglichkeit, mit den Teilnehmenden die Kaltnadelradierung aus dem Tiefdruck zu bearbeiten und kennenzulernen. Da diese Technik jedoch eine Presse benötigt und auch die Bearbeitung der Druckplatte einen höheren Zeitaufwand benötigt, ist dies nicht in einem Tagesworkshop möglich.

    Bei einer Kostenberechnung muss man die Vor- und Nachbereitung wie auch die Workshopdauer berücksichtigen, die Tatsache des Anfahrtsweges, wie auch die Anzahl der Teilnehmenden und die benötigten Materialien für die jeweilige Technik. Als Beispiel liegt der Preis bei 10 Teilnehmenden, die zwei Stunden einen Workshop machen wollen, zum Thema Linoleumdruck bei 220 Euro. Dafür bekommen die Teilnehmenden einen zielgerichteten, auch pädagogisch durchdachten Workshop, um ein Gefühl für die jeweilige Technik zu bekommen und der auf die Fähigkeiten der Teilnehmenden abgestimmt ist.

    Ahoi: Gerade die Technik der Radierung und Druckgrafik fasziniert Dich. Auf Märkten hast Du gar - wenn ich richtig informiert bin - eine kleine Druckerei dabei. Was fasziniert Dich daran so? Und was machst Du mit der kleinen Druckerei?

    L’art de Lossie: Das ist richtig, auf den Mittelaltermärkten habe ich einen Stand mit zwei Konzepten. Das eine Konzept bezieht sich auf das Zeichnen von Schnellportraits. Das andere Konzept beruht auf einer Druckwerkstatt, bei der Kinder fertige Linoldruckplatten drucken können. Viele Kinder unterschiedlichen Alters haben bis dahin noch nie Erfahrungen mit dem Drucken gemacht und sind sehr überrascht, welchen Effekt man allein mit Schwarz erzielen kann oder aus der Kombination von zwei Farben. Dabei können sich die Kinder auch experimentell mit der Farbenlehre auseinandersetzen und ein Gefühl dafür entwickeln.

    Weiterhin gibt es für die Besucher auch die Möglichkeit, eine kleine Druckplatte selbst zu schnitzen und zu drucken, wenn sie genügend Geduld und Zeit mitbringen.

    Doch egal für welche Möglichkeiten sich die Teilnehmenden entscheiden, sie befassen sich mit einer manuellen Technik und fertigen händisch ein haptisches Produkt an, was das Selbstwertgefühl unwahrscheinlich stärkt, und sie lernen eine Technik kennen, die durch die Digitalisierung sehr stark in den Hintergrund gerät, obwohl die Drucktechniken eine Grundlage der heutigen Digitalisierung darstellen.

    Dies ist ein Aspekt, der mich an der Druckgrafik fasziniert. Der Hochdruck (Linoleumschnitt, Holzschnitt) hat immer einen sehr beeindruckenden Effekt, weil man vor allem flächig arbeitet. Für mich ist es jedoch die Tiefdrucktechnik, die mein Herz höherschlagen lässt. Der Tiefdruck lässt unterschiedliche Techniken und Herangehensweisen zu, welche getrennt voneinander wie auch in Kombination funktionieren. So kann man mit der Kaltnadelradierung unterschiedliche Tiefenwirkungen, Strukturen und Intensitäten nur mit grafischen Gestaltungsmitteln wie Punkten, Linien und Schaffer erzielen. Beispielsweise bei der Aquatinta, bei der man mit Asphaltstaub, Abdecklack und Säure arbeitet, um Flächen zu erzeugen, die sich in der Intensität voneinander abheben und mit der man auch einen Mehrfarbendruck erstellen kann. An dieser Stelle muss man bei der Bildgestaltung zum Beispiel auch in Ebenen denken und mitüberlegen, wie überlappende Farben am Ende auf dem gedruckten Papier aussehen. Jeder, der einmal mit Photoshop oder Illustrator im Printdesign gearbeitet hat, weiß, was ich meine.

    Aber das Faszinierendste ist an allen Drucktechniken, dass Du das Endergebnis planen kannst, wie Du willst. Du kannst jeden Schritt bis ins Detail auseinandernehmen, berechnen und überdenken, aber wenn Du die Platte dann druckst, ist es immer eine Überraschung und nicht zu selten besser, als es erwartet wurde.

    Ahoi: Freiberuflich Künstlerin zu sein, ohne andauernd Fördergeldanträge zu schreiben, stelle ich mir in der krisengeplagten Jetztzeit äußerst schwierig vor. Wie schätzt Du die Lage für Künstlerinnen und Künstler in Leipzig ein? Was müsste sich bessern, damit es besser wird?

    L’art de Lossie: Zum Thema Förderanträge oder Ausschreibungen ist es aber auch so, dass man natürlich nicht die einzige Person ist, die sich auf Ausschreibungen und Förderanträge bewirbt und es gerade als Neuling schwer ist, bei der Auswahl durchzukommen. Dessen muss man sich bewusst sein und es gibt einfach auch so viele andere großartige und geniale Künstler. Ich habe in diesem Jahr bisher an zehn Ausschreibungen teilgenommen und leider auch zehn Absagen erhalten. Hier braucht man tatsächlich ein dickes Fell, um diese Absagen nicht auf sich selbst zu beziehen und seine Arbeit.

    Und ja, es ist heute schwierig, Künstler zu sein, aber das war es schon immer. Jeder, der klein anfängt, sucht Mittel und Wege und erfindet sich selbst neu, um auch ohne Förderanträge über die Runden zu kommen. So habe ich die Mittelaltermärkte für mich gefunden, als auch die Möglichkeit der Workshops und der Portraitzeichnungen. Letztendlich ist man nicht nur der reine Künstler in seinem Fachgebiet, sondern auch Allrounder in allem, was die Freiberuflichkeit mit sich bringt. Am Ende bin ich in den Workshops auch wieder Lehrende. Bei der Bespielung meiner Medienauftritte (Homepage, Insta, etc.) bin ich mein eigenes Werbemanagement und Gestalter für Grafik und Design.  Aber auch diese Abwechslung macht es sehr spannend.

    Wie man die Lage für Künstler verbessern kann, ist für mich schwer zu sagen, da ich erst kurz dabei bin. Ich stelle nur fest, dass es wirklich schwer ist, manche Künstlerkreise überhaupt kennenzulernen, als auch, dass viele Einrichtungen um den Erhalt ihrer offenen Werkstätten und kulturellen, künstlerischen Einrichtungen sehr kämpfen müssen. Dies betrifft nicht nur die Druckgrafik. Wenn soziale, kulturelle und künstlerische Einrichtungen für Jung und Alt konsequent gefördert werden würden, wäre aus meiner Perspektive bereits viel getan.

    Ein Heilmittel ist es jedoch nicht. Künstler sein heißt: arbeiten, durchhalten, Geduld haben und sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.  Weil, letztendlich will ein jeder von uns von seiner Kunst leben können und nicht ausschließlich mit einer mobilen Druckwerkstatt auf Mittelaltermärkten.

    Ahoi: Und wo kann man Dich und Deine Werke demnächst erleben?

    L’art de Lossie: *lach* Da sind wir bereits wieder beim Thema Mittelaltermarkt. Am 31.10.23 war ich in Wittenberg zu den großen Festivitäten zum Reformationstag. Dort hatte ich die Gelegenheit, meine Bilder zu präsentieren und konnte mit Groß und Klein in meiner kleinen Druckwerkstatt werkeln.

    Im November folgt nun eine Werkstattphase. Ich merke, wie ich nach den vielen Märkten und damit verbunden Reisen auch wieder die Prozessphase für neue Dinge brauche.

    Die nächsten Termine sind dann im Dezember. Da bin ich im Schloss Trebsen, wo ich meine Bilder präsentieren darf und auf Wunsch von Gästen auch Schnellportraits zeichnen werde. Das Schloss veranstaltet einen wunderschönen Adventsmarkt in einem wunderschönen mittelalterlichen Ambiente an den ersten drei Adventswochenenden jeweils Samstag und Sonntag. Weiterhin findet vom 8.12. bis 17.12.2023 auch das Weihnachts-Faktum im Alten Kranwerk Naunhof statt. Dabei handelt es sich um einen wundervollen Kunst- und Handwerksmarkt, der mit viel Liebe zum Detail vorbereitet wird. Auch dort darf ich einige meiner Bilder und Arbeiten ausstellen und mitwirken, wenn ich nicht in Trebsen bin.

    Ahoi: Dann wünsche ich Dir ganz viel Erfolg. Weitermachen!

    L’art de Lossie: Vielen lieben Dank an Dich und das spannende Interview. In dem Sinne: Weitermachen!

    L’art de Lossie im Netz:
    ​​​​​​​https://lart-de-lossie.com/​​​​​​​

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