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    Jugendrevolte ist bei mir ausgeblieben

    Gespräch mit dem neuen Thomasorganisten Johannes Lang

    An der Orgel der Thomaskirche zu Leipzig hat ein neuer Mann Platz genommen. Johannes Lang beerbt damit den großen Ullrich Böhme, der in den letzten Jahrzehnten prägenden Einfluss auf das Leipziger Musikgeschehen nahm. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit Maestro Lang:

    Der neue Thomasorganisten Johannes Lang an seinem Arbeitsinstrument
    Der neue Thomasorganisten Johannes Lang an seinem Arbeitsinstrument © Gert Mothes

    Ahoi: Guten Tag, Herr Johannes Lang. Erst einmal Glückwünsche zum neuen Amt des Thomasorganisten. Mit diesem Amt verbinden Sie ja familiäre Bande: Ihr Urgroßvater Günther Ramin war selber Thomasorganist und sogar Thomaskantor und Ihr Großvater wurde in unserer schönen Stadt geboren. Sie jedoch kamen in Düsseldorf zur Welt. Was hat Ihre Familie denn in Richtung Westen getrieben?

    Johannes Lang: Lieben Dank für die Glückwünsche, ich freue mich sehr auf dieses großartige Amt.

    Also, das war so: Als mein Urgroßvater starb war mein Großvater schon im Westen in Ingelheim bei Boehringer als Chemiker angestellt. Da er u.a. in Göttingen studierte und dort meine Großmutter, die aus Bremen stammte, kennengelernt hatte, gab es da West-Bezug. Meine Urgroßmutter hatte ansonsten hier in Leipzig keine Verwandten, sodass sie dann nach dem Tod von Günther Ramin zu meinen Großeltern nach Ingelheim zog. Meine Mutter ist also im Westen geboren, mein Vater ist ein richtiger Wessi, sodass auch ich im Westen geboren wurde.

     

    Ahoi: Sie sind gerade 32 Jahre jung, waren aber schon seit 2016 Kantor der Friedenskirche in Potsdam-Sanccouci und Jury-Mitglied bei Jugend musiziert. Woher kam Ihre frühe Hinwendung zur Kirchenmusik?

    Johannes Lang: Die rührt von meiner frühen Begeisterung für Kirchenglocken her. Als Kind war ich deshalb Hilfsküster in meinem Heimatdort Märkt bei Weil am Rhein, um dort die Glocken der Dorfkirche zu läuten (mein Vater hatte sich 1995 in Basel selbstständig gemacht, daher habe ich die längste Zeit meines Lebens in Südbaden verbracht). Da fiel mein Blick auch auf die Orgel, da war es um mich geschehen. Sicherlich machen aber auch die richtigen Begegnungen zur richtigen Zeit am richtigen Ort einiges aus. Sehr auf diesen Beruf hin fokussiert wurde es nämlich, als ich Student von Martin Schmeding in Freiburg wurde.

     

    Ahoi: Und die typische musikalische Jugendrevolte? Metal, Punk und Gangsta-Rap? Spielte die keine Rolle bei Ihnen?

    Johannes Lang: Die ist bei mir erstaunlicherweise ausgeblieben, da ich immer das Gefühl hatte, mich mit der Musik, die ich mache, ausdrücken zu können. Und darum geht es ja schließlich. Dennoch bin ich nicht nur klassisch sozialisiert, da meine vier älteren Geschwister alle einen unterschiedlichen Musikgeschmack haben, da bin ich mit fast allem in Berührung gekommen und habe auch keine Berührungsängste zu Musik jeglicher Art.

     

    Ahoi: Vor Ihnen hat der große Ullrich Böhme Jahrzehnte das Amt des Thomasorganisten innegehabt. In seinem, Ende des letzten Jahres im ThomanerJournal erschienen Interview wünscht er seinem Nachfolger alles Gute und verweist darauf, dass er keine Tipps geben muss, da Sie selber eine große Koryphäe wären und selber nur zu gut wissen, wie Sie das Amt des Thomasorganisten füllen können. Gibt es Ideen, irgendetwas anders zu machen? Welche Fußstapfen wollen Sie einbringen?

    Johannes Lang: In der Tat, Ullrich Böhme hat Großartiges auf dieser Stelle geleistet, u.a. haben wir ihm die Initiativen zu verdanken, die zu der beeindruckenden Orgelsituation in der Thomaskirche geführt haben. Sicherlich prägt jeder Thomasorganist diese Stelle auf die eigene Art, da jeder auf seine Weise die Instrumente bedient, dieses oder jenes Potential in ihnen erkennt und versucht, ihre Stärken zum Klingen zu bringen. Mir ist es wichtig, dass alle Menschen, für die ich die Orgel spielen darf, hören können, dass ich versuche, mit dem Instrument zu verschmelzen. Wenn ich Musik mache, soll man spüren können, dass das aus tiefster Seele und reinster Empfindung, ja aus Glaubensgewissheit passiert, dass ich mich mit Haut und Haar mit einem Werk, das ich spiele, identifiziere. Es geht also nicht nur um Interpretation, sondern um Identifikation und das muss spürbar sein. Das ist bei so einem großen Instrument wie der Orgel, mit ihrem großen technischen Apparat, deutlich schwieriger, als bei einem Streich- oder Blasinstrument oder besonders beim Singen, da ist man ja viel näher an der Seele dran. Ich kann daher auch gut verstehen, dass es Menschen gibt, die mit Orgel nicht so viel anfangen können, da es wirklich nicht einfach ist, dem Instrument Seele einzuhauchen, sowohl als Orgelbauer als auch als Organist. Besonders gerne pflege ich daher die Improvisation auf der Orgel, weil man hier einen sehr direkten Draht mit dem Instrument und damit den Hörenden aufbauen kann.

    Letztlich will ich es eigentlich mit diesem Amt halten, wie es Georg Christoph Biller einmal so schön formuliert: „Ihr seid an einer großen Sache beteiligt, also beteiligt euch auch groß.“ Ob dabei etwas herauskommt, was neue Fußstapfen erzeugt, dass werden hoffentlich die nächsten Jahre zeigen.

     

    Ahoi: Die Arbeit des Thomasorganisten ist eng am Kirchenjahr entlang geschlängelt. So werden Sie wohl zu Weihnachten neu disponieren müssen, schließlich ist da Dauerspielen in der Thomaskirche angesagt. Wie muss man sich diese Änderung familiär vorstellen? Werden Kinder zur Weihnacht auf Papa verzichten müssen? Wie gestaltet sich Ihr Familienleben in Leipzig?

    Johannes Lang: Da ich selbst keine Kinder habe, bin ich da zum Glück etwas freier, weiß aber, welch große Herausforderungen dieser Beruf bei vielen Kolleginnen und Kollegen mit sich bringt. Immerhin darf ich bei den Kindern meiner Freundin ein bisschen Bonus-Papa sein, die aber alle in Potsdam leben. Da werden wir mal sehen müssen, wie sich das an den Hochfesten im Kirchenjahr gestalten lässt.

     

    Ahoi: Nun war ja Ihr Urgroßvater auch Thomaskantor. Gibt es solche Träume auch bei Ihnen? Welche Wünsche und Träume gibt es eigentlich?

    Johannes Lang: Das werde ich erstaunlicherweise sehr häufig gefragt, meistens mit dem Nebensatz verbunden, dass der Thomasorganist ja die zweite Geige in der Thomaskirche spielt. Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich es überhaupt nicht so empfinde. Mit Andreas Reize habe ich ein sehr gutes freundschaftliches Verhältnis und es ist wunderbar, wie wir beide im Dienst der Sache Ideen und Impulse einbringen können. Es geht um die großartige Aufgabe der Pflege und Weiterentwicklung des Bachschen Erbes an diesem traditionsreichen Ort und da bin ich froh und glücklich, mit meinen Fähigkeiten dazu beizutragen. Da ist, glaube ich, die Position ganz egal. Sicher, auch ich habe Träume. Die gehen aber alle in die Richtung, wie wir für die Aufführung von Musik in der Thomaskirche die besten Voraussetzungen in jeglicher Hinsicht schaffen können. 2028 feiern wir 500 Jahre Thomasorganist, da wollen wir noch einiges bewegen.

     

    Ahoi: Und was wünschen Sie sich von den Leipzigerinnen und Leipzigern?

    Johannes Lang: Offene Herzen, damit das, was ich tue, auch ankommen kann. Aber da mache ich mir überhaupt keine Sorgen, da meine bisherigen Begegnungen mit den Leipzigerinnen und Leipzigern genau davon geprägt waren.

     

    Ahoi: Danke, lieber Johannes Lang. Wir freuen uns auf Ihr Orgelspiel.

    Mehr zu Johannes Lang:

    www.thomaskirche.org

     

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