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    Die Unschärfe ist mir vertraut

    Gespräch mit dem Musiker Clemens Christian Poetzsch

    Poetzsch auf der Suche nach dem idealen Klang © Sandra Ludewig

    Am 09. Dezember stellt Clemens Christian Poetzsch sein neues Album „Chasing Heisenberg“ im Horns Erben vor. Grund genug für Ahoi-Redakteur Volly Tanner, im Vorfeld das Album durch zuhören. Was ihn dann auch völlig begeistert zurückließ. So viel Hoffnung, dass großartige Musik möglich ist.

    Schlussendlich hakte Tanner daraufhin bei Poetzsch unter und quetschte etwas aus ihm heraus:


    Ahoi: Guten Tag, Clemens Christian Poetzsch. Sie haben gerade das dritte Album Ihrer Trilogie herausgebracht. Jetzt aber ganz allein am Klavier. Wieso das denn?

    Clemens Christian Poetzsch: Bei meinen letzten beiden Alben war das Klavier immer im klanglichen Mittelpunkt, allerdings zum Teil eingebettet in Elektronik oder im Kontext eines Ensembles aus Harfe, Cello und Klavier. 

    Auf dem Weg zu diesem Album habe ich schon früh gemerkt, dass die Ideen allein am Klavier und vorwiegend aus improvisierten Momenten entstehen - und vor allem auch am Klavier bleiben. Andere Instrumente hatte ich zu keiner Zeit im Kopf, alles hat sich wie ein Zurückkommen angefühlt. Zum ganz ursprünglichen Moment, an dem man alleine am Klavier sitzt, spontan improvisiert und Ideen nachjagt. Für mich hat es sich sehr organisch angefühlt, um mit dem Album „Chasing Heisenberg“ den Bogen zu den vorherigen Alben zu spannen und die Trilogie abzuschließen.

     

    Ahoi: Der Titel des Albums „Chasing Heisenberg“ ist Programm. Was verbindet Sie mit Heisenberg?

    Clemens Christian Poetzsch: In den letzten Monaten dieser Suche und auf dem Weg zur Entstehung dieser Musik bin ich auf die Unschärferelation gestoßen. Sie wurde 1927 von Werner Heisenberg formuliert und besagt, dass es unmöglich ist, gleichzeitig den Ort und den Impuls eines Teilchens zu bestimmen. Es entzieht sich unserem Blick und lässt sich auch nicht festnageln.

    Das Bild der Welt lässt sich nicht beliebig scharf stellen - ab einem bestimmten Punkt befindet man sich in einer Unschärfe.

    Dieser Gedanke hat mich fasziniert, denn die Unschärfe ist mir vertraut und begegnet mir als Komponist und Improvisator nahezu täglich. Egal, wie viel ich als Musiker forsche und Wissen sammle - der wichtigste Teil meiner Musik, der zündende Funke Inspiration, der emotionale Moment, den ich teilen möchte - dieser Moment lässt sich auch nicht planen, vorhersagen oder konstruieren. 

    Diese Suche inspiriert mich jeden Tag neu, ob ich unterwegs bin, Konzerte spiele oder im Studio am Klavier sitze.

     

    Ahoi: Sie sind in Dresden groß geworden, leben aber seit Jahren in Leipzig. Wie kam es dazu?

    Clemens Christian Poetzsch: Ich bin über Umwege vor 10 Jahren in Leipzig gelandet. Es war eine relativ spontane Entscheidung für die Stadt. Aufgewachsen bin ich in Dresden, später nach Berlin gezogen - dann hatte ich einen Auftritt in Leipzig, im Zuge dessen etwas Zeit hier verbracht und irgendetwas in mir hat geklickt. Ich war einfach von dieser Stadt begeistert und bin relativ kurzfristig hergezogen. Nun lebe ich schon seit 10 Jahren hier und habe noch keine Minute bereut. 

    Für mich als Musiker ist die Stadt perfekt - ein gutes Pflaster für neue Musik, ich nehme sie auch als sehr aufgeschlossen wahr.

     

    Ahoi: Das neue Album wagt den Spagat zwischen Neo Klassik und Jazz, Musik, die eher selten im Formatradio läuft oder über Musik-TV gesendet wird. Wie kommen Sie an Ihre Käuferschichten heran? Ein Album ohne Empfängerinnen und Empfänger zu produzieren, wäre ja nicht gerade sinnvoll. Außer man ist der Sohn von Elon Musk.

    Clemens Christian Poetzsch: Über die letzten Jahre habe ich sehr viele Konzerte gespielt und auch über Alben, die ich in dieser Zeit veröffentlicht habe, sind sehr viele Hörer*innen dazugekommen. Meine Musik bewegt sich eher zwischen den Genres und ist daher nichts für das typische Formatradio - ich merke eher, dass sich die Musik über das Musikstreaming sehr verbreitet. Dass die Musik dort vor allem auch international wahrgenommen wird und sich Hörer*innen intensiver mit den Stücken beschäftigen, bemerke ich auch durch Nachrichten und Rückmeldungen, die ich bekomme. 

    Über diesen Weg und natürlich den direkten Weg des Live-Spielens findet der Kontakt statt - eine schöne Mischung aus digitaler und analoger Welt, wie ich finde.

     

    Ahoi: Am 09. Dezember können wir Ihre Musik im Horns Erben erleben. Wie müssen wir uns das Konzert vorstellen? Drei Stunden ein Mann am Klavier?

    Clemens Christian Poetzsch: Ich werde Musik von meinem neuen Album spielen - ganz pur, solo am Klavier.

    Da dieses Album die Trilogie zu den Alben „Remember Tomorrow“ und „The Soul of Things“ abschließt - werde ich auch Stücke dieser Alben spielen, mit zum Teil elektronischen Instrumenten.

     

    Ahoi: Bevor Sie Solo durchstarteten waren Sie unter anderem Teil von MASAA. Was war das denn für eine Band und wo haben Sie überall gespielt?

    Clemens Christian Poetzsch: Masaa ist eine Band, welche stilistisch zwischen Jazz und arabischer Musik einzuordnen ist. Ich war von 2012-2019 Teil der Band, wir haben vier Alben veröffentlicht und waren international viel auf Tournee, u.a. in Afrika und Asien.

    Es war eine großartige Zeit, die Musik auf der Bühne bestand zu einem großen Teil aus Improvisation - ein sich stetig wechselnder Dialog zwischen vier Musikern. Masaa ist immer noch aktiv, für mich ist der fantastische Gitarrist Reentko Dirks in die Band gekommen.

     

    Ahoi: Sie haben auch mit Rammstein zusammengearbeitet. Können Sie uns darüber etwas erzählen?

    Clemens Christian Poetzsch: Die Zusammenarbeit mit Rammstein entstand über den befreundeten Komponisten Sven Helbig - wir haben oft in unterschiedlichen Projekten zusammengearbeitet und 2020 auch ein gemeinsames Album aufgenommen.

    Sven Helbig ist schon sehr lange als Arrangeur und Orchestrator für Rammstein tätig - 2018 gab es das Vorhaben, Stücke der Band für ein Notenbuch auf das Klavier zu übersetzen, dort kam ich als Arrangeur ins Spiel. Später habe ich die Klavierstücke im Studio aufgenommen - sie sind jetzt auf dem Album „XXI-Klavier“und bei den Stadionshows von Rammstein zu hören. Es war eine spannende gemeinsame Arbeit zwischen Gitarrist Paul Landers, Sven Helbig und mir.

     

    Ahoi: Danke, Clemens Christian Poetzsch, für Ihre Zeit und Ihre Musik.

    Clemens Christian Poetzsch im Internet:

    www.clemenspoetzsch.de

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