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    Wir fühlten uns oft wie Prügelknaben

    Gespräch mit dem METROPOL-Mitglied Reinhard Tesch

    Die Band METROPOL heute © privat

    In dieser unserer Stadt leben viele Menschen. Und viele davon leben schon recht lange hier. Manche sind sogar hier geboren, werden jedoch oft und gerne von der Medienwelt vergessen.

    Die hier in den 60gern oder 70gern Geborenen hörten Anfang der 80ger aus allen Radios ein Lied: „Und ich sehn´ mich nach Dir …“ – einen echten Oberhit. Damals spielte auch ein jetzt in Leipzig lebender Schlagzeuger mit. Die ganze Geschichte der Band, inklusive der Beantwortung der Frage „Wie breitbeinig kann man Musik machen?“ berichtete Reinhards Tesch über den großen Teich hinweg Ahoi-Redakteur Volly Tanner in die Tasten:

     

    Ahoi: Guten Tag, Reinhard Tesch. Ich war 7 Jahre jung, als du aus den Resten der DDR-Amateurband OPUS mit Freunden die Band METROPOL gegründet hast, damals 1977. Im selben Jahr siedelte der DDR-Oppositionelle und Schriftsteller Reiner Kunze in die BRD über. Wie war damals die Stimmung? Kannst du aus dieser Zeit bitte ein bisschen erzählen?

    Reinhard Tesch: Lieber Volly, zunächst erstmal vielen Dank für das Interview.

    Du hast da gerade eine furchtbare Geschichte angesprochen. Das war damals der erste Schritt in eine sehr bedenkliche Entwicklung. Wir haben darüber viel diskutiert, ohne aber einen Weg für uns zu finden. Das Motto lautete: Musik machen und hoffen, es wird schon nicht so schlimm.

    Stimmung ist natürlich ein weitreichender Begriff. Wir als Band waren damals sozusagen in Aufbruch-Stimmung und wollten erstmal etwas schaffen. Worauf wir uns eingelassen hatten, ahnten wir jedoch noch nicht. Wir haben in den Rundfunkstudios produziert, diese waren damals noch sehr primitiv und konnten nicht mit der AMIGA-Qualität mithalten. Es hat an so mancher technischen Ausrüstung sowie an Fachpersonal gefehlt. Des Weiteren haben wir uns oftmals wie Prügelknaben gefühlt. Unsere eigenen Texte wurden von den Verantwortlichen nicht zugelassen, oder besser gesagt hatte man Angst, ob sie in die richtige politische Richtung zielten. Wir mussten uns damit zufriedenstellen, dass uns ein obligatorischer Texter zugewiesen wurde. Dann hieß es: „Nimm es oder lass es”. Ein Kompromiss war nicht in Aussicht.

    Das war auch die Zeit, wo mir meine Oma meine zweite Gitarre aus Westberlin mit der Post schickte - und Gott sei Dank, das Paket wurde nicht von den Behörden durchstochert. Ich war sehr stolz auf meine silberne „Fender 25th Anniversary”, die ich noch heute gern spiele. 

    Wir haben immer die Bands beneidet, die damals von der Stasi das OK bekamen und in den Westen fahren durften. Diese Leute konnten sich nicht nur ihre Instrumente selbst aussuchen, sondern einige fingen sogar an, damit zu handeln. Oft wurden Instrumente im Osten im Kurs von 1:5 verscherbelt.

     

    Ahoi: Seit der Reunion der Band 2014 arbeitet ihr wieder zusammen, dabei sogar breitbeinig über dem großen Teich. Du lebst derzeit in Orlando, euer Schlagzeuger Roland Fischer beispielsweise hier in Leipzig. Seht ihr euch auch mal in echt oder findet das ganze Schaffen digital statt? Wie läuft das Zusammenspiel?

    Reinhard Tesch: Natürlich haben wir immer noch gute Kontakte zu allen METROPOL-Musikern, wenn auch unterschiedliche Wege und die Zeit ihren Tribut fordern. Mit Axel, der auch ohne mich die Band weiterführte, und zu unserer letzten CD seine Ideen beisteuerte, habe ich einen sehr engen und freundschaftlichen Kontakt. Mit Roland ist es ähnlich, wobei die Entfernung Berlin - Leipzig - Orlando, Florida die Sache nicht einfacher macht. Musikalisch findet, den 8.000 Kilometern geschuldet, der Austausch der Ideen digital statt. Es geht dann in etwa so: „Schicke mir mal ein kurzes Demo, wie Du das spielen oder singen würdest”. Manchmal geht das auch mit Noten oder MIDI Files. Ich trage dann gewöhnlich alle Ideen in meinem Studio zusammen. Dann geht es um den Mix, wobei wieder Demos hin- und her gesendet werden. Dabei wird viel diskutiert und versucht, ein optimales Endprodukt zu Stande zu bringen. Ich bin fest überzeugt, dass auch bei dieser nicht einfachen Methode und mit Axel’s Texten doch schließlich ein authentisches METROPOL-Werk herauskommt.

     

    Ahoi: Gerade habt ihr einen neuen Song „Es war ein langer Weg“ aufgenommen, der in den Independent-Radiostationen sehr gut gespielt wird. Im Song singt ihr: „Wir hatten eine gute Zeit, war das Herz auch manchmal schwer …“ Welche Situationen haben denn das Herz besonders schwergemacht?

    Reinhard Tesch: In jeder Band gibt es Meinungsverschiedenheiten und auch Streit über die musikalische Richtung, aber die Erfolge ließen uns weitermachen. Jedes Bandmitglied machte seine eigenen Erfahrungen. Bei einigen war das Herz schwer, weil sie sich von Familie und Freunden zeitweilig trennen mussten. Andere hatten abweichende musikalische Vorstellungen. Mir persönlich war das Herz schwer, als ich zum NVA-Reservistendienst eingezogen wurde. Man hatte das Gefühl, als ob die Behörden eine Band wie uns, aus welchen Gründen auch immer, kaputt machen wollten. Aber wir haben uns nicht unterkriegen lassen. Letztendlich haben wir fast immer einen Weg gefunden, um die Band gemeinsam nach vorne zu treiben. Wenn es darauf ankam, waren wir für die Fans da und das war wirklich eine gute Zeit. Wir denken, dass das Thema dieses Songs nicht nur uns betrifft. Wir wollten damit für alle Bands und Fans sprechen, die wie wir eine ähnlich lange Zeit hinter sich gebracht haben.

     

    Ahoi: 2010 wart ihr mit eurem Überhit „Und ich sehn´ mich nach Dir“ in den Top 100 Hits aus zwei Jahrzehnten. Wo war das denn konkret und was war das für ein Ranking?

    Reinhard Tesch: Wir hatten das Glück, dass dieser Song uns viele Wege ebnete. EIN KESSEL BUNTES, BONG, RUND, STOP! ROCK, JUGENDKLUB, DVD’s, Hintergrund Musik für Filme, Fernsehsendungen und vordere Plätze in den DDR-Hitparaden haben unseren Terminkalender gut gefüllt. Die „Ultimative Ostparade-Top 100 Hitparade“ wurde 2010 von den Fans gewählt. Ich denke, dass zusätzlich Verkaufszahlen mit ins Spiel kamen.

     

    Ahoi: Du lebst ja schon etwas länger in den USA, 2015 berichtete auch die deutsche Florida Zeitung „The SunState Post“ über euch. Was hat dich eigentlich übers große Wasser getrieben?

    Reinhard Tesch: Das ist eine lange Geschichte, ich möchte aber versuchen, mich kurz zu fassen. Nach der Wende lag die Kunst in den neuen Bundesländern brach. Es gab so gut wie keine Auftrittsmöglichkeiten. Jedoch musste ich eine Familie ernähren und glücklicherweise lief mir ein Angebot einer internationalen Hotel Management Kette über den Weg. 1992 haben die mich und meine Familie für zwei Jahre nach Florida geschickt, um an einem Manager Training teilzunehmen. Wie Du siehst ist aus den zwei Jahren doch eine sehr lange Zeit geworden. Meine Jobs hier wurden immer besser und obwohl man die USA nicht als ein „tolles Lebensparadies“ bezeichnen kann, war mein Auskommen doch bisher gar nicht so schlecht. 

    Nach einiger Zeit habe ich angefangen, in Bands zu spielen und ich habe durch meinen Job als Event Manager Hinz und Kunz persönlich kennengelernt. Um nur einige zu nennen: Eddie Van Halen mit seiner ganzen Familie, David Lee Roth, die Doobie Brothers, Aaron Neville, Tim McGraw mit Band, Präsident Bill Clinton, ha ha und sogar Bundeskanzler Gerhard Schröder. Weiter ging es mit Tommy DeCarlo (Boston), Britney Spears, und Tracey Ferry (Boston), mit dem ich sogar einmal auf der Bühne stand und zweite Gitarre gespielt habe, und viele mehr. Bei uns im Resort hat auch Paul McCartney sehr oft übernachtet, bis er sich in Orlando, nicht weit von uns, eine Villa kaufte.

     

    Ahoi: Als Musiker interessiert man sich ja automatisch für neuere Entwicklungen in diesem Gebiet. Was bekommst du denn von der hiesigen Rockmusik mit? Gibt es Bands oder Musiker, die dich richtig berühren derzeit?

    Reinhard Tesch: Hier in Florida ist ja die Deutsche Bandszene auf die Scorpions, Rammstein, Nena und vielleicht noch Tokyo Hotel reduziert. Ich denke aber, wenn man sich wirklich für gute Deutsche Rock- oder Popmusik interessiert, ist das auch von hier aus gar kein Problem. Meine ganze Familie hört und sieht viele deutsche Sendungen online und in den Mediatheken. Wenn man so will, bekommt man alles mit. Zusätzlich schickt mir unser Drummer Roland Fischer fleißig Berichte aus den Zeitungen und Medien. Ja, es gibt heutzutage viel Gutes in der Szene. Mich persönlich, wahrscheinlich auch wegen meiner Freundschaft mit Ritchie Barton, berührt besonders die Musik von Silly. Aber es gibt auch viele andere gute Bands. Ich möchte mich jedoch als Musiker nie so direkt auf einen Stil oder auf eine einzige Band festlegen. Zum Beispiel hat sich mein Sohn Marius Tesch auf das klassische Konzertpiano spezialisiert. Seitdem hole ich mir auch Inspirationen aus der klassischen Musik. Im Prinzip mag ich alles, was gut gemacht ist. 

    Nicht zuletzt bin ich ja auch selbst aktiv. Unter anderem hatte ich einen guten Anteil am letzten METROPOL-Album “UND ICH SEHN’ MICH NACH MEHR” und ich habe sogar einen Weihnachtssong (CHRISTMAS STAR) in Zusammenarbeit mit Simone Kotowski geschrieben.

     

    Ahoi: Wie seid ihr eigentlich zum Leipziger Roland Fischer gekommen?

    Reinhard Tesch: Roland hatte schon damals mit uns einige Zeit bei OPUS gespielt. Als dann der erste METROPOL-Drummer von einer anderen Band abgeworben wurde, sprachen wir Roland wieder an, der dann bis 1984 und nach der 2004 Band-Reunion bei METROPOL spielte. Er ist später von Berlin nach Leipzig gezogen, weil er näher an seiner Heimat Thüringen sein wollte. Wir haben ihn für die Produktion unseres Songs „ES WAR EIN LANGER WEG“ aus verschiedenen Gründen eingespannt. Erstens ist er doch ein ganz lieber Kollege, der mit uns den langen Weg als Drummer gegangen ist. Zweitens war er der Original-Drummer, der bei unserem Hit “…UND ICH SEHN’ MICH NACH DIR” das Schlagzeug eingespielt hat. Übrigens sind jetzt die einzigen drei METROPOL-Musiker, die bei der Produktion dieses Hits dabei waren, wieder vereint und das war wirklich EIN LANGER WEG.

    An dieser Stelle, bitte erlaube mir noch eine kleine Bemerkung am Rande: Wir haben damals noch Andreas Bicking aus Leipzig mit herangezogen, der für das Saxophon-Solo im Studio eingespielt hat. Er war damals bei der Gruppe OBELISK, und ist heute ein begehrter Komponist, Studiomusiker und Pianist.

     

    Ahoi: Und wie geht es weiter? Welttournee? Hitparaden?

    Reinhard Tesch: An eine Tournee denken wir erstmal nicht. Wir hatten die Ehre und das Glück, nach unserer Reunion 2014 in Berlin zusammen auftreten zu können und ein paar Mal sogar in Florida. Zurzeit konzentrieren wir uns auf neue Songs und auf unsere Fans. Aus der großen Resonanz schließen wir, dass unser Fankreis noch am Leben ist und darüber sind wir jedem Einzelnen sehr dankbar. Ein Comeback auf der Bühne schließen wir jedoch nicht aus. 

    Nicht zuletzt hoffen wir, dass METROPOL nicht in Vergessenheit gerät und weiterhin einen Platz in den Medien behält. Wir wünschen dir persönlich mit deinen Projekten weiterhin viel Erfolg.

     

    Ahoi: Danke sehr, lieber Reinhard. Und euch auch weiterhin viel Freude.

    METROPOL im Netz:

    metropol-rockband.com

     

    METROPOL_Medley:

    www.youtube.com

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