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Die unkonventionelle Taktik der Stasi ausgegraben

Geheimnisse des Kalten Krieges

In den Jahren 1978 bis 1981 wurde das Interhotel ‚Merkur‘ von dem japanischen Unternehmen ‚Kajima Corporation Tokio‘ erbaut. Heute ist es das "Westin". Auch hier wurden Gäste aus dem Westen von der Stasi ausgespäht © Ronny Wenzel/Ahoi Leipzig

Archive der Stasi, der ehemaligen ostdeutschen Geheimpolizei, haben die unkonventionellen Methoden enthüllt, die das kommunistische Regime in der Zeit des Kalten Krieges anwandte. Entgegen der offiziellen Behauptung, Prostitution sei ein westliches Laster, wurde aufgedeckt, dass die Stasi heimlich zahlreiche Callgirls angeworben hat, um Informationen von westlichen Diplomaten und Geschäftsleuten zu sammeln.

Während die DDR die Prostitution öffentlich anprangerte, wurde sie hinter den Kulissen zu einer strategischen Waffe gegen vermeintliche Feinde jenseits der Berliner Mauer. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl hatte 2002 vor Gericht durchgesetzt, dass seine 2.500 Seiten umfassende Stasi-Akte versiegelt wurde. Viele Akten sind jedoch weiterhin für die Forschung zugänglich und zeigen das Ausmaß der Stasi-Aktivitäten.

In den Dokumenten aus den Archiven werden Fälle beschrieben, in denen Geschäftsleute, darunter auch ein Brite, der eine Messe in Leipzig besuchte, bestimmte Dienstleistungen von Stasi-angestellten Callgirls in Anspruch nahmen. Die Akten beschreiben auch die Kriterien, nach denen diese Frauen angeworben wurden: Alter, Größe und die Fähigkeit, sich in Nachtclubs, Restaurants und Hotellobbys zurechtzufinden.

In Leipzig hatte die Stasi besondere Anforderungen an ihre Rekruten. Sie suchten Frauen im Alter zwischen 22 und 28 Jahren, die zwischen 1,6 und 1,7 Meter groß waren und ein großes Interesse an Geselligkeit hatten. In den Akten werden Personen wie Monika G. und Gisela S. erwähnt, die zur Zusammenarbeit mit der Stasi gezwungen wurden, weil sie deren "kriminelle Aktivitäten" übersehen wollten.

Eine Informantin, die den Decknamen Rose trug, gab Einblicke in zahlreiche westliche Kontakte, die sie in Leipzig hatte, von Geschäftsleuten bis hin zu Politikern. Eine andere, Rosemarie Martin, hatte die Aufgabe, potenzielle Erpressungsziele innerhalb der LGBTQ+-Community in Leipzig zu identifizieren.

Neben den verdeckten Operationen durchdrang der Einfluss der Stasi auch verschiedene Bereiche der Gesellschaft. Das Hotel Deutschland (heute das Radisson Blu) in Leipzig war zum Beispiel mehr als nur ein Ort für Reisende. Viele seiner Zimmer wurden von der Stasi abgehört, was es zu einem Zentrum für Spionage machte. Auch im Hotel Neptun in Warnemünde wurden zahlreiche Zimmer überwacht, und sogar die Bardame war ein Stasi-Informant.

Die Enthüllungen über die Taktiken der Stasi sind nicht nur historische Fußnoten. Sie geben einen Einblick in eine Zeit, in der Vertrauen ein Luxus war und die Grenzen zwischen Recht und Unrecht oft fließend waren. Für die Menschen in Leipzig und in der gesamten ostdeutschen Gemeinschaft sind diese Erkenntnisse eine Erinnerung an die Opfer, Entscheidungen und Herausforderungen, die in einer turbulenten Zeit der Geschichte zu bewältigen waren.

Von Boris Jensen, mit Dank an Erobella für ihre Recherchen und ihren Beitrag.

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