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Freizeit- und Trendsport in Leipzig

Es geht um den Flow

Neben klassischen Freizeitsportmöglichkeiten bietet Leipzig immer mehr Raum für Trendsportarten. Neue, oft selbst organisierte und stetig wachsende Sportarten sind Ausdruck eines Lebensgefühls und boomen gerade in Leipzig. Ein Streifzug.

Freizeitsport in Leipzig
Slackliner auf dem 105-Meter-Band über dem Karl-Heine-Kanal © Sylvio Hoffmann

Cornelius ist an diesem Nachmittag im Juli der Erste, der die Calisthenics-Anlage im Clara-Zetkin-Park betritt. Der 30-Jährige mit den gelockten Haaren wärmt seine definierten Muskeln erst langsam auf und geht dann an das rote Stahlgerüst unmittelbar neben einem Spielplatz. Jede Bewegung führt er so behutsam und bedacht aus, dass es fast meditativ wirkt. Er schwingt sich an zwei Barrenholmen in den Schulterstand, macht „Taschenmesser“ am Reck und absolviert seine Übungen an Ringen, die andere Turner und Kraftsportler mitgebracht haben.
Nach und nach füllt sich die Anlage. Etwa 15 Sportler sind heute gekommen, fast alle kennen sich von den gemeinsamen Einheiten im Freien. Eine offene Gemeinschaft, die Freude daran hat, ungezwungen im Freien, dazu kostenfrei und nur mithilfe des eigenen Körpergewichts zu trainieren. Es geht bei vielen nicht um puren Kraftzuwachs, sondern um Körpergefühl und Koordination. „Man trifft hier keine Möchtegern-Pumper“, sagt die 24 Jahre alte Julia. „Das ist ein Trendsport, der sich bewährt hat und weiter wächst“, schätzt Cornelius ein. Der Soziologie- und Politikwissenschaftsstudent ist während der Corona-Zeit regelmäßig an die Anlage gekommen, weil Sporthallen und Fitnessstudios geschlossen waren. Nun will er die Anlage neben dem Gelände des BSV AOK – die größte und beliebteste der vier öffentlichen Calisthenics-Anlagen in Leipzig – nicht mehr missen.

Man trifft hier keine Möchtegern-Pumper. Julia auf der größten und beliebtesten Calisthenics-Anlage in Leipzig im Clara-Zetkin-Park

Nur eine von vielen kostenfreien und meist hoch frequentierten Freizeitsportmöglichkeiten in Leipzig. In Zahlen: 148 öffentliche Tischtennisplatten gibt es hier, 46 Streetball-Anlagen, 28 Bolzplätze, 23 Outdoor-Fitnessgeräte, 21 Skate-Elemente und zehn öffentliche Volleyballplätze. Mit Kletter- und Boulderhallen, Wassersportmöglichkeiten wie Paddeln, Surfen inklusive dem neuen Trend Foilen, Segeln, Wasserski und Wakeboarding, Rafting, Kiten und Tauchen sowie Radsport- und Laufstrecken rund um die Seen und in den
Parks hat die Sportstadt eine große Vielfalt zu bieten. Neben den Wegekilometern in den Park- und Grünanlagen die etwa zum Walken einladen, gibt es in der Stadt und im Landkreis etwa 800 Kilometer an Radwegen.

Roundnet: Ein cooler Vibe in Leipzig

Manchen genügt schon eine große Wiese, wie die vor der Sachsenbrücke, wo Robert, Marvin, Anton und weitere Mitspieler zwei Roundnet-Netze aufgebaut haben. Der Tanz um die runden, wie kleine Trampoline anmutenden Sportgeräte ist gerade der Trend hierzulande. Eine Mischung aus Volleyball, Tischtennis und Squash. Auch in den Leipziger Parks sieht man den neuen Trendsport gerade überall. „Das ist gerade ein cooler Vibe in Leipzig“, sagt der 22 Jahre alte Anton. „Man hat das Gefühl, es passiert gerade was Neues.“
Weshalb Roundnet so erfolgreich ist? Der 360-Grad-Sport ist kompetitiv mit einem gewissen Suchtfaktor, kommunikativ und im Gegensatz zu einer Tischtennisplatte oder einer Volleyballnetzanlage sind die Sportgeräte leicht zu transportieren und jederzeit aufzubauen. Die drei Jungs, die sich aus dem Studium kennen, zocken jeden Donnerstagnachmittag, oft gesellen sich andere Spieler einfach dazu.

Slacklining: Die Community wächst ständig

Leipzigs größter Park zwischen westlicher Innenstadt, Musiker-Viertel und Schleußig ist gerade Leipzigs Freizeit- und Trendsport-Hotspot. Auch bei den Slacklinern, die sich jeden Mittwoch hier treffen und oft mehrere Lines spannen. „Leipzig bietet durch seine vielen Parks ideale Bedingungen für das Slacklining“, sagt Magdalena vom Slacknetz e. V. Die Slackline-Szene der Stadt sei inzwischen „sehr aktiv und man trifft auf sehr viele Facetten dieser Sportart.“ Das hat auch mit den Leipzigern zu tun. „Die Menschen und die Stadt sind sehr aufgeschlossen und wir haben das Glück, dass wir im guten Austausch stehen, sodass auch unser Sport zu einem kulturellen Mehrwert der Stadt beiträgt“, sagt Magdalena.
50 Mitglieder hat der Verein, deutlich über 100 Leute sind in einer Gruppe organisiert. „Die Community wächst stetig, das Interesse am Slacklining ist sehr groß“, berichtet Magdalena. „Sobald man einen Fuß auf der Line hat, möchte man auch schon nicht mehr aufhören, bis man einen, zwei, drei Schritte geschafft hat. Dabei ist das Stehen auf der wackeligen Slackline schon die erste Herausforderung. Das Laufen auf dem schmalen Band trainiert dann Gleichgewicht, Kondition, Konzentration.“
Slacklining für Fortgeschrittene hoch über dem Karl-Heine-Kanal auf Höhe des Stelzenhauses in Plagwitz hat sich zum Besuchermagneten entwickelt. „Sowohl die Spaziergänger als auch Bootsausflügler und Touristen bewundern bei gutem Wetter die Fertigkeiten der Slackliner, auf dem 105-Meter-Band zu laufen und den ein oder anderen Trick zu vollführen“, sagt Slacknetz-Mitorganisatorin Magdalena. „Wir wünschen uns für die Zukunft, den urbanen Raum für  noch mehr tolle Aktionen bespielen zu können."

Sobald man einen Fuß auf der Line hat, möchte man auch schon nicht mehr aufhören. Slackliner über dem Karl-Heine-Kanal

Lifestyle und öffentliche Inszenierung des Körpers

Doch was macht gerade neue Freizeitsportarten wie die beschriebenen eigentlich so faszinierend und Leipzig zu einer der Hochburgen? „Trendsport hat viel mit Lifestyle und öffentlicher Inszenierung des Körpers zu tun“, sagt die Leipziger Sportsoziologin Dr. Petra Tzschoppe. „Das ungezwungene Ausprobieren neuer Bewegungsformen, das spontane Verabreden im Freundeskreis, die Unverbindlichkeit erscheinen als Vorteil gegenüber den strikteren Vorgaben des Vereinssports.“ Im Gegensatz zu den traditionellen Sportarten gehe es bei Trendsportarten oft vorrangig um  das gemeinsame Spaßhaben, um das Lernen und Präsentieren bestimmter Tricks. „Das heißt, die sportliche Bewegungserfahrung als solche ist wichtiger als Sieg oder Niederlage. Im Zusammenspiel mit der entsprechenden Musik und Mode ist sie Ausdruck von Jugendkulturen.“
Dem versucht auch die Stadt Rechnung zu tragen. „Leipzig lebt Vielfalt und diese bildet sich auch im Sporttreiben ab“, sagt Katja Büchel, Leiterin des Amtes für Sport. Das spiegele sich auch im Sportprogramm 2024 wider, bei dem eine Aufwertung der öffentlichen Sportanlagen beschlossen wurde. 150.000 Euro fließen seit 2017 zweckgebunden in den Haushalt des Amtes für Sport. Das aktuelle Prestigeprojekt ist der neue Skaterpark am Heizhaus in Grünau, der 1,6 Millionen Euro kostete und im Herbst eröffnet werden soll. Dazu entstehen gerade zwei neue, dringend benötigte Fitnessanlagen.

Dirt Bike: Wie Surfen an Land

Doch Freizeit- und Trendsport heißt auch: do it yourself. So wie es Bam und seine Crew tun. Der 18-Jährige ist Teil der Leipziger Dirt-Bike-Szene, genauer: der des Dirtparks Leipzig. Am Rande der Stadt in Knautkleebergberg haben die Biker in den vergangenen 20 Jahren eine Hügellandschaft in die Wiesen modelliert. Erdmassen des benachbarten, abgetragenen Baggersees boten beste Substanz, um den Spot anzulegen und zu pflegen. Etwa 65 Prozent, schätzt Bam, sind sie mit dem Bau der Schanzen beschäftigt. 35 Prozent sind reines Fahrvergnügen.

Inzwischen schmiegt sich eine Einfamilienhaus-Siedlung an das Areal, sodass es so aussieht, als würden Bam und Co. mit ihren BMXund Dirt-Jump-Bikes scheinbar schwerelos durch die Hügel hüpfen und nach jedem Sprung ein paar Meter fliegen, als würden sie über den Dächern der Vorstadtsiedlung schweben. Etwa 40 Sprünge sind derzeit befahrbar, sechs sogenannte Lines gibt es. „Das ist wie Surfen an Land“, beschreibt Bam seinen Sport. Erdwälle statt Wellen. „Es geht um Flow, gleichzeitig hat man einen Adrenalinkick, aber es ist total wettkampffern, entspannt, aber technisch anspruchsvoll.“ Genau das, was Freizeit- und Trendsport vom Wettkampfsport in Vereinen unterscheidet und ihn für viele so attraktiv macht.

FREIZEIT- UND TRENDSPORTANLAGEN

Aktuelle städtische Bauprojekte
• Neubau Fitnessanlage Spielplatz am Wasserschloss (im Bau): 35.000 Euro
• Modernisierung Skateanlage Kuhweide Liebertwolkwitz (Projekt): 40.000 Euro
• Neubau Skateanlage Mockau (Projekt): Kosten noch offen
• Neubau Fitnessanlage SPA Sasstraße (Projekt): 50.000 Euro
• Neubau Fitnessanlage Nordstrand Cospudener See (Projekt): 30.000 Euro
• Modernisierung Radweg vom Wildpark zum Wolfswinkel: 30.000 Euro

Übersicht Trend- und Freizeitsport in Leipzig
www.leipzig.de/freizeitkultur-und-tourismus/sport

Mehr Infos unter
www.slacknetzleipzig.de

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