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Leipziger Tafel

Eine Seite Vernunft

Das Team um Dr. Werner Wehmer ist für viele ein Rettungsanker. Die Leipziger Tafel versorgt Bedürftige mit einer warmen Mahlzeit und Lebensmitteln. Doch es kommen immer mehr. Der Tafel-Chef spricht über seine Sorgen.

Dr. Werner Wehmer
Dr. Werner Wehmer © Leipziger Tafel

Aufgeben ist keine Option

Die ersten stehen manchmal schon um 8 Uhr vor den Türen der Tafel, obwohl wir erst um 9:30 Uhr aufmachen. Immer mehr Flüchtlinge aus der Ukraine sind dabei. Meist Frauen und Kinder. Da haben wir eher geöffnet und ihnen ein warmes Getränk angeboten. Nur eine von vielen Herausforderungen. Die meisten sprechen kein Deutsch und so dauert eine Anmeldung schon mal bis zu zwei Stunden. Dann muss ich andere Wartende oft um Geduld bitten. Wir wollen niemanden wegschicken. Jetzt haben wir eine Muttersprachlerin fest eingestellt. Die Sprachbarriere ist groß.

Statt 16.000 sind es jetzt 18.000 Bedürftige, die von der Leipziger Tafel versorgt werden. Ohne Spenden und Unterstützung geht nichts. Gerade gab es von der Bäckerei Wendl aus dem Verkauf eines speziellen Brots 3.200 Euro. Hilfe von der Stadt ist wichtig. Im Rathaus sagen sie immer, geht zur Tafel. Manchmal sind auch wir kräftemäßig am Ende. Wir arbeiten oft darüber hinaus. Ich kann und möchte niemanden allein lassen.

Dazu plagen mich andere Sorgen. Durch die gestiegenen Preise bei Lebensmitteln kommen noch mehr zu uns. Ich beobachte, dass Menschen, die sechs oder acht Monate nicht hier waren, jetzt wieder unsere Hilfe brauchen. Sich ihr Essen kaum noch leisten können. Wie viele Flüchtlinge noch kommen, weiß auch keiner. Ob wir das immer stemmen können? Wir brauchen mehr Lebensmittelspenden, mehr ehrenamtliche Helfer. Gerade fehlt ein Drittel der Mitarbeiter. Auch Geldspenden sind willkommen. Da wir die Lebensmittel meist abholen, kommen in diesem Jahr rund 10.000 Euro mehr an Spritkosten auf uns zu.

Es ist gut, wenn die Stadt große Hilfspakete auflegt. Nun kommt auch bei der Tafel finanzielle Hilfe an. Ich freue mich über jede helfende Hand. Egal, ob beim Abholen der Lebensmittel, beim Sortieren oder Verteilen. Willkommen sind auch kochfreudige Helfer. Hunger ist etwas Schlimmes und ich bin froh, wenn wir möglichst vielen mit einer warmen Mahlzeit und Nahrungsmitteln etwas helfen können. Aufgeben ist keine Option! Wer spenden oder helfen will: www.tafel-leipzig.de

Dr. Werner Wehmer ist Wirtschaftswissenschaftler. Er leitet seit 2006 die Leipziger Tafel mit einem Team von knapp 80 Frauen und Männern. Im Mai wird er 75 Jahre.

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