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Urbanes Gärtnern

Die Stadt als Mikrokosmos gärtnerischer Ideen

Kohlrabi aus dem Eimer, Dill vom Dach: Moderne Städte entwickeln sich immer mehr zu einem Mikrokosmos gärtnerischen Einfallsreichtums. „Urban Gardening“ nennt sich der Trend, der Menschen mit grünen Daumen an Stadtbrachen zusammenbringt. In Leipzig atmet die grüne Lunge besonders kräftig.

Ernte mich
Tomatenpflanzen verschiedenster Sorten gibt es am „Ernte mich“-Hof in Hülle und Fülle © Ernte mich

So groß kann’s wachsen – oder klein bleiben. Urban Gardening kennt keine Grenzen nach oben oder unten. Und liegt voll im Trend. Es muss niemanden wundern, wenn schmale Erdstreifen zwischen Straßenbahnbett und Fahrbahnrand über Nacht bunt erblühen oder plötzlich Kräuter wachsen. In der Südvorstadt kommt dies häufiger mal vor – Guerilla Gardening, eine friedliche, grüne Revolution mit Augenzwinkern.

Gemeinsam für eine nachhaltige Stadt

Leipzig nimmt den Trend längst an. Bereits im Frühjahr 2015 hat die Stadt offiziell Tipps zum Begrünen von Baumscheiben gegeben, jene Brachflächen, die einem Stadtbaum Raum zum Wachsen geben. Die Pflanz-Guerilla darf raus aus den Tarnklamotten und rein in den Peter-Lustig-Blaumann. Wer es lieber gleich größer mag: Im Technischen Rathaus – Fachbereich Gärten – kann man „Grabeland“, freie Pachtgärten an verschiedenen Standorten in Leipzig, bekommen. Die über 30.000 Kleingärten dürfen wir dabei auch nicht vergessen.

Vom Mietbeet zur Bio-Gärtnerei

Am Anfang stehen dabei immer Menschen mit gleichen Interessen. Sie verbuddeln Samen, gießen im Kollektiv und ernten wenig später ihr erstes Stadt-Gemüse. So wie auf einem Stück Grünland und in einer Sandgrube in Liebertwolkwitz. Dort begann Richard Hagedorn 2014 unter dem Namen „Ernte mich“, Mietbeete anzulegen. Mit der Zeit entstand auf etwa einem Hektar Anbaufläche eine Biogemüse-Gärtnerei mit Verkauf von zahlreichen Jungpflanzen. Dazu kamen noch Streuobstwiesen und weiteres Grünland. Dieses Jahr gibt es 25 Mietbeet-Parteien, die Ende März zu gärtnern begannen.

Gemüse und Obst verkaufen die sieben Mitarbeiter ab Hof in der Großpösnaer Straße 71, saisonal dienstags auf dem Wochenmarkt in der Innenstadt, ganzjährig auf dem regionalen Samstags- und Freitagsmarkt in Plagwitz bei Egenberger. Zudem beliefern sie einige Unverpackt-Läden und die Gastronomie. Eine Bio-Kiste gibt es ebenso wie zahlreiche Workshops. Im Juni geht es z. B. um Permakultur. 
Gemeinsam gegärtnert wird auch im Leipziger Westen. Der „Hildegarten“ am Bürgerbahnhof Plagwitz ist ein Gemeinschaftsgarten, in dem nicht nur kollektives Pflanzen und Säen, sondern auch der Austausch, das Zusammensein und das gemeinsame Werkeln im Vordergrund steht. Workshops werden ebenso angeboten. Jeder ist dabei willkommen.

Urban Gardening ist aber mehr als zweckmäßiges Schuften zwischen Baum und Borke. „Gemeinsames Gärtnern schafft Gemeinschaft, gemeinsame Verantwortung und oft ein ganz neues Bewusstsein darüber, was man auf dem Teller hat“, bringt „LeipzigGrün“ das nachhaltige Öko-Konzept auf den Punkt. Über 50 Gruppen, Vereine, Interessierte sowie Kultureinrichtungen und Verwaltungen in Leipzig und Umgebung bilden unter diesem Namen ein Netzwerk für Stadtnatur.

„Eine neue Stadt ist pflanzbar!“, sagen die Leipziger Stadtpflanzer. Der Verein ist selbst wie ein kleiner, freier Garten, in dem Gemüse, Kräuter und Blumen in stiller Eintracht gedeihen. Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen engagieren sich hier für eine soziale und nachhaltige Stadt. Die Werkzeuge für den Aufbau sind Schaufeln und Gießkannen. Und das Arbeitsfeld betrifft sowohl den Balkon als auch den Hinterhof oder die städtische Brachfläche.

Rooftop Gardening
Landwirtschaft auf Stadtdächern.

Guerilla Gardening
Heimliches Aussäen auf brachen Flächen oder Grünflächen in der Stadt. Aus dem ursprünglichen Protest-Gärtnern ist heute ein geduldeter, sogar gewollter Trend geworden.

Mobile Urban Gardening
Mini-Gärten in Einkaufswagen, Schubkarren oder Ladeflächen von Autos, die mit ihrer Hutablage zum Gewächshaus werden.

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