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Neustart nach Corona

Die Sportstadt Leipzig erwacht

Schluss mit Däumchendrehen. Mit den neuen Lockerungen füllen sich in Leipzig auch wieder die Sportplätze. Nach den Corona-Beschränkungen ist die neue sportliche Freiheit ein Segen für Körper und Geist. Doch Vorsicht ist weiterhin geboten.

300 teilnehmer feiern beim Comeback-Run den ersten organisierten lauf nach der Corona-Pause © Larasch

Etwa 300 Teilnehmer sind gekommen, um beim ersten organisierten Lauf nach dem Lockdown dabei zu sein. Zwar muss der „Come-back-Run“ am Markkleeberger See unter strengen Auflagen stattfinden: Zuschauer sind untersagt, alle Bereiche mit Mannheimer Gittern getrennt und die Läufer dürfen nur in Zweiergruppen aller 30 Sekunden starten. Sterile Atmosphäre statt Volksfeststimmung. Doch die Teilnehmer feiern am letzten Juni-Wochenende über fünf und neun Kilometer Distanz die zurückgewonnene Freiheit, in Gemeinschaft unter Wettkampfbedingungen mit Zeitmessung und auf abgesperrter Strecke laufen zu dürfen.

Die Läufer waren die Ersten

„Es war uns wichtig, etwas zu tun. Wir wollten zeigen: Ihr könnt wieder laufen, habt Spaß, bleibt dabei und kommt wieder“, sagt Organisatorin Susann Zehl von der Agentur Time for Sports. Normalerweise betreuen Zehl und Co. Veranstaltungen mit bis zu 7.000 Teilnehmern. Doch dieser kleine See-Lauf vor der Kulisse der Tagebaubagger machte nicht nur den Läufern Mut, sondern auch dem Veranstalter Hoffnung, in diesem Jahr noch fünf bis sechs Events durchführen zu können – falls es keine zweite Virus-Welle gibt, die schlimmstenfalls zu einem erneuten Sportverbot führen könnte. So wie von Mitte März bis Anfang Mai, als der Sportbetrieb in der Stadt völlig zum Erliegen kam. Nun erwacht die Sportstadt Leipzig aus dem Corona-Schlaf – mit viel Begeisterung, aber auch mit der gebotenen Vorsicht.

Die Ersten, die während des Kontaktverbots in Parks und Wäldern, an den Seen und Kanälen ihrem Sport nachgehen konnten, waren die Läufer. Mangels Alternativen erlebte das Joggen sogar einen Boom. Jörg Matthé vom Leipziger Laufladen sagt: „Laufen hat einen Run erlebt.“ In sein Lauffachgeschäft strömte eine neue Zielgruppe, die sich neue Schuhe und Ausrüstung zulegte, „um nach dem Homeoffice beim Laufen den Kopf freizubekommen und mal ohne Handy, Kinder und Lebenspartner ein paar Minuten nur für sich und ihren Körper da zu sein“, beobachtete Matthé. Im Laufladen mussten sie Termine vergeben, um den Kundenansturm zu organisieren. Auch vor vielen Radgeschäften bildeten sich lange Schlangen. Die Hälfte der neuen Klientel, schätzt Matthé, hat in dieser Zeit nachhaltig Spaß am Laufen gefunden.

Wir sollten uns bewusst sein, dass die Bedrohung durch Corona noch längst nicht vorbei ist.“

Im Zuge der Lockerungen durften in der ersten Maiwoche zunächst Tennisspieler und Beachvolleyballer unter Auflagen wieder auf die Anlagen. In den Wochen danach wurden peu à peu die Fußballplätze und andere Outdoor-Anlagen sowie schließlich auch die Hallen wieder geöffnet. Jede Sportstätte mit einem zugeschnittenen Hygienekonzept, das das Gesundheitsamt abnahm.

„Es ist dringend notwendig, dass die Sportvereine wieder loslegen können“, sagt die Leipziger Sport-soziologin Dr. Petra Tzschoppe von der hiesigen Universität: „Die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen haben hohe psychische und soziale Belastungen mit sich gebracht, zu Vereinsamung und Bewegungsmangel geführt.“ Gerade Vereinssport sei für „körperliches, physisches und soziales Wohlbefinden“ äußerst wertvoll.

Die Dozentin hat den Prozess der Öffnung als Vizepräsidentin des DOSB, dem Dachverband aller großen Sportverbände hierzulande, eng mitgestaltet. Tzschoppe entwickelte zehn Leitlinien mit, die den Ländern als Grundlage dienten. „Es war uns im DOSB als Signal wichtig, dass am Tag der Verkündung des Restarts der Fußball-Bundesliga ebenso erste Lockerungen für den Wiedereinstieg in den Breitensport angekündigt wurden“, betont Tzschoppe.

Hilfe für den Breitensport

So durften Mitte Mai nicht nur die Profis, sondern zum Beispiel auch die E-Jugend-Fußballer vom LSC 1901 im Westen der Stadt wieder beginnen – zunächst mit strengen Abstandsregeln. „Die Kinder waren wochenlang wie eingesperrt, ihnen hat es echt gutgetan, sich wieder zu treffen und zu bewegen – auch wenn das mit Fußballtraining nur begrenzt zu tun hatte“, sagt Trainer Christian Sarosi. Richtlinien wie die Desinfektion vor und nach dem Training setzten die Zehn- und Elfjährigen erstaunlich diszipliniert um. „Viele hatten große Angst davor, dass das Training noch einmal komplett eingestellt werden muss“, sagt der Allgemeinmediziner. Spielerisch-taktisch sei die wochenlange Pause zu kompensieren gewesen, konditionell hat er deutliche Schwächen bei seinen Jungs festgestellt, an denen es nun vor einem möglichen Start des Liga-Alltags im September zu arbeiten gilt. 

Bis auf 30 Sporthallen, die wegen des Schulsportbetriebs und für die Hygienekontrollen fehlender Hallen-warte noch nicht für Vereinssport genutzt werden durften, waren Anfang Juli wieder alle städtischen Anlagen geöffnet. Ein Großteil der knapp 100.000 Leipziger Vereinssportler konnte wieder aktiv sein. „Aus meiner Sicht ist der klassische Breitensport in Leipzig wirtschaftlich ganz gut durch die Krise gekommen“, schätzt Sportbürgermeister Heiko Rosenthal ein. Ausnahme seien Ver-eine, die ein Gewerbe wie Physiotherapie integriert haben.

Der klassische Breitensport in Leipzig ist wirtschaftlich ganz gut durch die Krise gekommen.“

Die Stadt half finanziell mit, indem sie Vereinen Hallenmiete erließ, Pachtkostenzuschüsse und Förderungen trotz ruhenden Sportbetriebs weiterzahlte. Finanzielle Hilfe erhalten bedürftige Leipziger Clubs vom Landessportbund, der die von der sächsischen Landesregierung bereitgestellten zehn Millionen Euro für den Breitensport im Freistaat verteilt. Laut Stadtsportbund beantragten bis Anfang Juli 49 Leipziger Vereine eine Gesamtsumme von 369.500 Euro zur Soforthilfe.

Das Risiko bleibt

Auch im Kanupark Markkleeberg ist der Betrieb für Publikum am 6. Juni wieder angelaufen. Die Pumpen ar- beiten wieder, um das tosende Wasser durch die Anlage strömen zu lassen. Statt über 60 Besucher wie üblich haben sich die Betreiber entschieden, bis Jahresende nur 36 gleichzeitig auf die Anlage zu lassen. Bei Besuchern und Betreibern sei gleichermaßen „große Erleichterung“ zu spüren gewesen, sagt Leiter Christoph Kirsten, dass wieder Rafting möglich ist.

Die Sportstadt Leipzig hat sich arrangiert mit den neuen Bedingungen. Und falls Bestimmungen missachtet werden, drohen Sanktionen. In Einzelfällen hatte die Stadt eingreifen müssen. Auf der Radrennbahn etwa musste der Trainingsbetrieb kurzzeitig untersagt werden. „Dieser Zustand wird auch weiterhin überprüft“, kündigt Rosenthal an. Denn, so betont DOSB-Funktionärin Petra Tzschoppe: „Alle Lockerungen bergen natürlich auch ein Risiko: Wir sollten uns bewusst sein, dass die Bedrohung durch Corona noch längst nicht vorbei ist.“ [ulk]

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