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„Bayern München ist für RB nur eine Zwischenstufe“

Herr Professor Zülch, Sie erheben mit dem sogenannten FoMa-Q-Score sei t 2017 die Managementqualitäten der Bundesligisten. Welches Zeugnis stellen Sie RB Leipzig aus?
Zülch: Sie sind als Dritter des aktuellen Rankings mit an der Spitze, aber die sportliche Exzellenz ist intern wie extern noch nicht überall angekommen. Sportlich ist RB nachgewiesenermaßen gut, aber sie haben intern in der Organisationsstruktur das Problem, adäquat zu wachsen, und extern die Schwierigkeit, diese Exzellenz auch zu vermarkten. Sie werden außerhalb der eigenen Fanbasis von der Mehrheit der Fußballbegeisterten nicht als Fußballklub anerkannt.
Wie beurteilen Sie das aktuelle Führungspersonal?
Zülch: Obwohl sie konstant in der Champions League dabei sind, haben die häufigen Trainerwechsel in den letzten Jahren sportlich für eine gewisse Instabilität gesorgt. RB braucht langfristig Kontinuität auf dieser so wichtigen Position und muss sich auf einen Trainer fixieren. In Marco Rose ist jetzt ein Trainer aus der Region mit viel Identifikation im Amt – in der Symbiose mit dem neuen Sportchef Max Eberl ist das eine hervorragende Lösung.
Vor welchen strategischen Aufgaben steht Max Eberl?
Zülch: Ein schwieriger Bereich ist nach wie vor die Spielerentwicklung, also Nachwuchsarbeit und Integration der jungen Spieler in die Profimannschaft. Das hat Max Eberl erkannt. Für die finanzielle Unabhängigkeit des Klubs wird das ein ganz wichtiger Punkt sein, weil die Umsatzströme bei den großen Vereinen massiv durch Spielerverkäufe bestimmt werden. Ich halte es etwa für elementar, wieder eine U23 aufzubauen, um den Zufluss in die erste Mannschaft wieder zu gewährleisten. So hat zum Beispiel Eintracht Frankfurt aktuell wieder mit einer zweiten Mannschaft in der Oberliga begonnen. Nachwuchs als Geschäfts- und Identifikationsmodell zu begreifen und das nachhaltig umzusetzen, wird für RB künftig ungemein wichtig sein.
Und finanziell?
Zülch: RB Leipzig wird nicht als Fußballmarke wahrgenommen, sondern nur als Ableger des Red-Bull-Konzerns. Das schlägt sich auch finanziell im Merchandising oder bei der Höhe der TV-Gelder nieder, die zu einem kleinen Prozentsatz auch nach Interesse an den Klubs und Einschaltquoten ausgezahlt werden. Ferner wird es auf der Ausgabenseite für Eberl eine Herausforderung sein, die Gehaltsspirale nicht immer weiter nach oben zu drehen und gleichzeitig den Status als Spitzenklub mit Spitzenpersonal zu untermauern.
Welchen Einfluss haben die Fans?
Zülch: Die vierte Hauptkategorie in unserem Ranking, die Fanwohlmaximierung, spiegelt wider, dass Identifikation fehlt. Es braucht Nähe zu den Fans und RB zeigt zu wenig Nähe beziehungsweise die Angebote werden nicht wie erhofft angenommen. Es ist geradezu kurios, welche Anstrengungen RB unternimmt, dass ein paar hundert Leute mit zu den Auswärtsspielen fahren. RB wird es weiter schwer haben, eine authentische Fußballmarke zu sein, die glaubwürdig Identifikation in der Region und auch überregional schafft. Aber das hat Ursachen.
RB Leipzig ist der Fußballklub der Zukunft.
Welche?
Zülch: Man will bei RB ganz bewusst keine Transparenz, etwa bei wirtschaftlichen Zahlen oder den internen Strukturen, schaffen. Doch wenn ich keine Transparenz will, dann schaffe ich auch keine Identifikation und auch keine Glaubwürdigkeit. Darüber sollte man mal nachdenken. RB ist nach wie vor ein Closed job. Zudem spielt gegenwärtig im Kontext von Glaubwürdigkeit und Nähe zum Umfeld das Thema Nachhaltigkeit mit all seinen Facetten eine wichtige Rolle. RB hat das Thema hoch angebunden, aber es darf nicht zum Greenwashing verkommen. Rasenballsport muss zeigen, dass das ernst gemeint ist.
Welche Rolle kann Max Eberl dabei spielen?
Zülch: Von einem Traditionsklub wie Mönchengladbach zu einem Projektklub wie RB Leipzig zu gehen – das passt zunächst einmal nicht zum Bild, das Max Eberl bislang verkörperte. Er ist also persönlich in einer besonderen Situation, sich doppelt zu beweisen. Es wird für die gesamte Organisation und die Führungsriege ein Riesenspagat, die Persönlichkeit Max Eberl in die übergeordnete´Red-Bull-Philosophie zu integrieren. Der Klub wird sich verändern müssen, eben mehr Nähe zeigen und Identifikation stiften. Dann hätte Max Eberl eine Position inne, die ihm auch gerecht wird. Wenn Eberl aber nur aufgestülpt ist, wird seine Ära in Leipzig recht schnell beendet sein. Beide Seiten müssen sich aufeinander einstellen und weiterentwickeln – das ist die große Herausforderung. Wenn das gelingt, können sowohl Eberl als auch RB Leipzig daran wachsen – das ist eine großartige Chance.
Eberl sagt, dass er mittel- und langfristig Bayern München attackieren will. Halten Sie das für realistisch?
Zülch: Das ist absolut realistisch. RB Leipzig, da teile ich die Meinung von Max Eberl, ist der Fußballklub der Zukunft. Die finanziellen Möglichkeiten, die Klubstruktur und das internationale Geflecht an Klubs garantieren Erfolg. Das haben andere Wettbewerber so nicht.
Also?
Zülch: Bayern München ist doch langfristig gedacht nur die Zwischenstufe für RB. Mit dem Netzwerk, mit den Farmteams, mit dem Potenzial hat RB Leipzig nicht nur den Anspruch, Bayern München Paroli zu bieten, sondern auch Manchester City, Real Madrid und PSG. Den deutschen Fußball international zu vertreten – auch in der Nationalmannschaft –, muss mit diesen Möglichkeiten der Anspruch von RB Leipzig sein. Das Problem ist nur: Sie müssen auch die Region mitnehmen und die Erfolge mit Identifikation untermauern. Auch dafür muss Max Eberl stehen.
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