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Philippus-Inklusionshotel

Alle unter einem Dach

Im PHILIPPUS-Inklusionshotel in Lindenau arbeiten Menschen mit und ohne Einschränkungen völlig selbstverständlich zusammen. Das 2018 eröffnete Haus ist das einzige seiner Art in Sachsen.

Claudia Lich ist mit viel Freude bei der Arbeit © Pam Parche

Mehr voneinander wissen

In unserer Reihe „Leipzig engagiert sich“ zeigen wir seit mehr als einem Jahr funktionierende Geschichten, die sichtbar machen, was geht, wenn Menschen zusammenarbeiten und sich gemeinsam auf den Weg machen. Wir laden alle Leipziger ein, sich für Vernunft und Respekt einzubringen.

Für unsere Septemberausgabe haben wir das PHILIPPUS-Inklusionshotel besucht.

Ein Hotel für Menschen mit Behinderung – betrieben von Menschen mit Behinderung. Das PHILIPPUS-Leipzig ist eins von nur 18 Inklusionshotels in ganz Deutschland und neben dem Landhotel Bad Dürrenberg das einzige in Mitteldeutschland. Oberhalb des belebten Karl-Heine-Kanals im Leipziger Westen gelegen, arbeiten hier 15 Mitarbeiter, darunter sieben mit Einschränkungen. Eine davon ist Claudia Lich, die auf zwei große Hörgeräte angewiesen ist. „Mir macht alles Spaß“, sagt die 27-Jährige aus dem Erzgebirge über ihre Arbeit. Vom Vorbereiten des Frühstücksbuffets (mit Fair-Trade-Kaffee und regionalen Produkten) über die Reinigung der Zimmer bis zur Betreuung der Gäste. „Sie ist unsere Allzweckwaffe“, sagt Hotelleiter Enrico Haußmann und lacht. Lich arbeitet Vollzeit und wird auch voll bezahlt. „Das ist ganz wichtig, damit sich die Menschen wertgeschätzt fühlen“, sagt Haußmann.

Möbel aus der Werkstatt

In dem vor zwei Jahren in der alten Pfarrei (Baujahr ca. 1910) der Philippus-Kirche eröffneten Hotel wird viel Wert auf Barrierefreiheit gelegt. Die 29 Zimmer auf 3-Sterne-Niveau sind mit dem Aufzug und über breite Flure erreichbar. Sehbehinderte Menschen finden dank Braille-Schriftzeichen besser durchs Haus, für gehörlose Besucher gibt es visuelle Signale. Sogar die Möbel wurden in Behindertenwerkstätten gebaut – keine Billigexemplare aus dem Möbelhaus. Gäste, die für schwer eingeschränkte Freunde oder Angehörige keinen Betreuer mitbringen können, haben die Möglichkeit, vor Ort eine Pflegekraft „auszuleihen“.

Musiker und Ehrenamtliche gesucht

Neben dem Hotelbetrieb können Feiern oder Tagungen ausgerichtet werden, der Biergarten lädt zum Verweilen ein, religiöse Menschen können sich für eine Andacht in die Kirche zurückziehen. Das Gotteshaus mit der auffälligen Turmuhr wurde vor der Corona-Pandemie für Veranstaltungen wie Konzerte, Ausstellungen oder Lesungen genutzt. Etwas Kultur gab es trotz Krise: Seit dem Frühjahr kooperiert PHILIPPUS mit dem Theater der Jungen Welt, das im Juni und Juli Stücke für Kinder im Kirchgarten aufführte. „Wir wollen künftig noch mehr mit Kreativen im Viertel kooperieren und uns öffnen“, sagt Hotelleiter Enrico Haußmann. „Es gibt keinen Grund, uns zu verstecken.“

Neben Musikern und Bands für Auftritte werden auch Menschen gesucht, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. [thf]

PHILIPPUS-Inklusionshotel

Aurelien- straße 54, www.philippus-leipzig.de

PHILIPPUS – ein Leuchtturm für Inklusion

  • 2018 Eröffnung des Hotels 
  • einziges Inklusionshotal in Sachsen 
  • 29 Zimmer auf 3-Sterne-Niveau 
  • der Träger BBW-Leipzig-Gruppe gehört zum Diakonischen Werk der Evangelischen-Lutherischen Landeskirche Sachsen e. V. 
  • Teile des Inklusionsbetriebs sind Hotel, Kirche sowie die Catering-Abteilung N9 in Plagwitz

Kein Mensch ist behindert

3 Fragen an Enrico Haußmann, Leiter des PHILIPPUS-Inklusionshotels

Sieben von 15 Angestellten des PHILIPPUS sind Menschen mit Behinderung. Warum ist das so wichtig?

Haußmann: Wir sind eine Integrationsfir- ma mit mindestens 40 Prozent Mitarbeitern mit Behinderung. Damit tragen wir zu einem inklusiven Arbeitsmarkt bei und bieten den Menschen Chancen, Teilhabe und Sicherheit. Wir könnten noch viel mehr einstellen! Mir blutet immer das Herz, wenn ich Praktikanten keine Perspektive bieten kann.

Wie viele Ihrer Gäste haben eine Einschränkung?

Haußmann: Momentan sind es rund 20 Prozent – mit steigender Tendenz. Unsere Gäste kommen aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland.

Was wünschen Sie sich in Sachen Inklusion?

Haußmann: Dass die Inklusion in den nächsten Jahren noch weiter vorankommt und dass Menschen mit Einschränkungen von allen als gleichberechtigt anerkannt werden. Kein Mensch ist behindert, die Menschen werden von anderen behindert.

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