Die kalten Monate sind auch die Zeit der Krankheiten – vor allem für kleine und große Kinder. Die Leipziger Kinderärztin Dr. med. Eleonore Bertko gibt Tipps, wie Kinder und Eltern gut durch diese Zeit kommen.
Ahoi: Was gehört Ihrer Meinung nach in eine gute Kinderhaus- und Reiseapotheke?
Dr. med. Eleonore Bertko: Nicht sehr viele oder komplizierte Dinge. Fieberthermometer, Fiebersaft und Fieberzäpfchen in der für das jeweilige Kind passenden Dosierung, abschwellende Nasentropfen, Pinzette und ggf. eine Kanüle für Splitter-/Fremdkörperentfernung, Verbandsmaterialen mit Pflastern in verschiedenen Größen, auch sterile Pflaster, Kompressen und ein Antiseptikum – zum Beispiel Octenisept. Kühlende Gele, Wundsalben und ein Cool-Pack sind auch hilfreich. Je nachdem, zu welcher Jahreszeit und in welches Land man reist, zusätzlich noch eine spitze Pinzette oder Karte zur Zeckenentfernung, Mücken- und Sonnenschutz sowie orale Elektrolytlösungen zum Beispiel Oralpädon und ggf. ein Vomex-Zäpfchen bei Erbrechen und Durchfall. Wichtig finde ich aber vor allem, egal wohin man reist, sich vorher zu informieren, wo der nächste Kinderarzt oder das nächste Kinderkrankenhaus zu erreichen ist und natürlich eine Auslandsreiseversicherung und Impfausweise im Gepäck zu haben.
Ahoi: Der Herbst steht in den Startlöchern - was können Eltern aktiv tun, um das Immunsystem ihrer Kinder zu stärken?
Dr. med. Eleonore Bertko: Eine ausgewogene Ernährung, frische Luft und genügend Schlaf. Das ist uns allen sicher nicht neu. Dass eine ausgewogene Ernährung bei Kindern und Jugendlichen eine Herausforderung ist, auch nicht. Dennoch zeigt die EsKiMo II Studie, welche das Essverhalten von Kindern und Jugendlichen von 2015 bis 2017 untersuchte, dass Kinder in Deutschland die Nährstoffempfehlungen meistens erreichen. Unterstützen können wir Eltern unsere Kinder, indem wir ihnen ein gutes Vorbild sind und unsere Mahlzeiten gemeinsam genießen. Die Eltern entscheiden, was auf den Tisch kommt - das Kind entscheidet, was es davon essen möchte. Ich persönlich habe gute Erfahrungen damit gemacht, vor dem Abend- oder Mittagessen schon mal einen Teller mit Obst und Gemüse auf den Tisch zu stellen, denn oft kommt der kleine Hunger der Kinder ja schon, bevor das Essen fertig ist. Die DGE empfiehlt außerdem die Zufuhr von Vitamin D auch im Kindes- und Jugendalter. Gerade in den Monaten Oktober bis März ist es in Deutschland kaum möglich, den Vitamin-D-Spiegel ausreichend zu decken. Ich empfehle deshalb die Zufuhr von 400-500 IE täglich in den Herbst- und Wintermonaten - auch außerhalb des Säuglingsalters.
Ahoi: Haben Sie als Mama einen Tipp, damit Arztbesuche wie Impftermine oder U-Untersuchungen möglichst reibungslos ablaufen?
Dr. med. Eleonore Bertko: Vorbereitung ist alles! So wie wir Erwachsenen möchte auch ein Kind wissen, was es bei einem Arztbesuch erwartet und was von ihm verlangt wird. Es gibt tolle Kinderbücher, anhand deren man den Ablauf einer kinderärztlichen Untersuchung mit dem Kind durchsprechen kann. Ich habe mit einem meiner Kinder auch schonmal zu Hause eine komplette Vorsorgeuntersuchung als Rollenspiel durchgespielt, um ihm die Angst zu nehmen. Eltern können sich vorher beim Arzt informieren, wie die Vorsorgeuntersuchung ablaufen wird, welche Teile der Untersuchung das Kind schon ganz alleine schaffen darf und ob eine Impfung ansteht. Ich persönlich bin kein Fan davon, wenn ich als Ärztin ein Kind mit einer Impfung „überraschen“ soll. Stattdessen spreche ich gerne mit dem Kind vorher kurz durch, wie die Untersuchung ablaufen wird. Bei schmerzhaften Eingriffen wie Impfungen oder Blutentnahmen sage ich dem Kind ehrlich, dass es „einen kurzen Pikser“ geben wird und vermeide Floskeln wie „Das tut gar nicht weh“. Bei großer Angst empfehle ich gerne betäubende lidocainhaltige Pflaster, die die Eltern vorher in der Apotheke kaufen und je nach Produkt etwa 60 Minuten vorher auf die betreffende Stelle kleben können. Ich habe damit super Erfahrungen gemacht. Hilfreich ist außerdem, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht total müde oder hungrig ist. Dies kann man versuchen bei der Terminplanung zu beachten.
Ahoi: Vielen Familien stecken die letzten langen Infektzeiten und Krankheitswellen noch in den Knochen. Wie viele Infekte sind „normal“? Wann gibt es Anlass zur Sorge?
Dr. med. Eleonore Bertko: Besonders im Kindergartenalter haben die Eltern oft das Gefühl, ihre Kinder sind „dauerkrank“ und zählen mit der Zeit nur noch die gesunden statt die kranken Tage. Tatsächlich sind, je nach Literaturangabe, 8-11 Infekte pro Jahr im Kindesalter „normal“, das sind also fast ein Infekt in jedem Monat! Für Eltern ist dies, vor allem durch ihren beruflichen Druck und die begrenzten Kind-krank-Tage, Stress. Für das kindliche Immunsystem ist es ein notwendiges Übungs- und Reifungsfeld. Und für uns als Ärzte ist nicht nur die Krankheitshäufigkeit ausschlaggebend, sondern vor allem die Art und die Intensität der Infekte. Hinweise für weitere Immundiagnostik wären für uns beispielsweise mehr als zwei Lungen- oder Nasennebenhöhlenentzündungen pro Jahr, mehr als acht neue Ohrinfektionen pro Jahr, Knochenmark- oder Hirnhautentzündungen, schwere Pilzinfektionen, Erkrankungen durch normalerweise ungefährliche Bakterien, mehr als zwei Monate Antibiotikatherapie ohne Effekt, geringes Wachstum oder geringes Körpergewicht.