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Untersuchungen über Glückspiel

Neues Forschungsprojekt in Leipzig gestartet

Würfeltisch im Casino: Immer ein Besuchermagnet. © stock.adobe.com@Aerial Mike

„Die Bank gewinnt immer“, das ist eine Phrase, deren Ursprung in der Glückspielszene liegt. Doch passender wäre zu sagen, „Der Staat gewinnt immer“. Seit einigen Jahren steigen die Steuereinnahmen aus dem Bereich Lotto und Sportwetten rapide an. Im Jahr 2019 betrugen die Gesamteinnahmen des Staates rund 1,97 Milliarden Euro, laut dem Statistischen Bundesamt rund ein Drittel mehr als noch 2009.

Bei der Betrachtung dieser Zahlen wundert es kaum, dass auch die Wissenschaft den Glücksspielbereich eingehender untersuchen möchte. Dem Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie (IMW) in Leipzig bietet sich, dank einer Kooperation mit Sachsenlotto, die Möglichkeit, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Frage, warum es staatliches Glücksspiel in Deutschland gibt und wer die Partner dieses Projekts eigentlich sind. Außerdem folgt eine Betrachtung, welche Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit von Sachsenlotto und dem IMW erwartet werden könnten.

Staatliches Glücksspiel in Deutschland

Bis 2010 unterlag jede Form von Glücksspiel, mit Ausnahme von Pferderennen, Spielautomaten und Casinos, dem Glücksspielmonopol. Damit war der einzige Anbieter von zum Beispiel Sportwetten der Staat. Nach einer Klage von verschiedenen privaten Anbietern kippte der Europäische Gerichtshof (EuGH) dieses Monopol jedoch. Ein Staatsmonopol ist in Europa nur unter bestimmten Bedingungen zulässig, unter anderem wenn der Staat beispielsweise Spielsucht dadurch bekämpfen will.

Die Richter des EuGH entschieden, dass der Staat seine Glücksspiele zu sehr bewarb und der Kampf gegen Spielsucht deshalb nicht glaubwürdig erschien. Damit war der Weg für private Anbieter frei. Bis heute ist der Markt aber durch eine Vielzahl von teils unseriösen Anbietern gerade im Internet unübersichtlich geworden. Es ist daher wichtig, sich vor dem Spielen über die Seriösität der Anbieter im Netz zu informieren.

Lotto ist die letzte Glücksspielart in Deutschland, für die noch das Glücksspielmonopol gilt, denn hier konnte die Bekämpfung von Spielsucht glaubhaft versichert werden. Um die Spiele zu veranstalten, gründeten die Bundesländer eigene Glücksspielstellen, wie zum Beispiel Sachsenlotto. Dies war nötig, um auf der einen Seite den Einwohnern die Teilnahme zu ermöglichen aber andererseits auch die Steuern leichter zu verwalten. Die Gewinne aus dem Lottospiel werden nämlich vollständig an die Bundesländer ausgezahlt. Und das fällt leichter, wenn die Bundesländer ihre Spieler selbst verwalten. Da es auch unterschiedliche Lottogebühren in den einzelnen Bundesländern gibt, darf nur im eigenen Bundesland getippt werden.

Sachsenlotto im Profil

Die Geschichte der staatlichen Lottostellen in Sachsen geht bis zu dem Jahre 1713 zurück. Aber erst im Jahre 1990 schlossen sich die Lottoverwaltungen der Bezirke Chemnitz, Dresden und Leipzig zusammen und gründeten so Sachsenlotto. Der Unternehmenssitz befindet sich in Leipzig. Es werden über 4000 Mitarbeiter in 1250 Lottoannahmestellen beschäftigt.

Das Geschäftsmodell von Sachsenlotto ist sehr transparent. 10% der Einnahmen werden für Betriebskosten verwendet, 50% werden als Gewinne unter den Spielern ausgeschüttet und die restlichen 40% werden vom Freistaat Sachsen zur Finanzierung von gemeinnützigen Projekten aus Kunst, Bildung oder dem sozialen Bereich genutzt. Unter anderem werden damit auch Forschungsprojekte wie bei der Zusammenarbeit mit dem IMW finanziert.

Am 17. Januar 2023 startete Sachsenlotto mit der Plattform „Die Spielbank“ das erste staatliche Onlinecasino Deutschlands. Der Fokus liegt auf Automatenspiele für das Smartphone. Die aktuelle Zahl von 339 verschiedenen Spielen soll sich in den nächsten Monaten beinahe verdoppeln. Um Spielsüchtige oder zumindest gefährdete Spieler vor zu großen Ausgaben zu schützen, soll künstliche Intelligenz eingesetzt werden, um auffällige Spieler zu stoppen. Die Hoffnung der Betreiber liegt bei einem Marktanteil von 5%.

Das Fraunhofer Zentrum IMW im Profil

Das Fraunhofer-Zentrum IMW wurde ursprünglich 2006 als Fraunhofer-Zentrum für Mittel- und Osteuropa in Leipzig gegründet. 2015 richtete es sich aber auf die Themenfelder Internationalisierung, Management und Wissensökonomie aus und wurde daher umbenannt. Momentan arbeiten rund 236 Beschäftigte aus vierzehn Ländern am Standort Leipzig, aber auch in der Außenstelle in Halle an der Saale.

Im Durchschnitt werden im IMW-Zentrum 86 Forschungsprojekte bearbeitet. Bei einem Drittel dieser Projekte, meistens mit Fokus auf Technologieentwicklung beziehungsweise Branchen- und Ländervergleiche, ist die Industrie der Auftraggeber. Interne und sonstige Projekte machen ein weiteres Drittel aus. Der größte Einzelauftraggeber ist jedoch der Staat, so wurden im Jahr 2020 29 Projekte von Bund und Ländern in Auftrag gegeben, 7 weitere durch die EU. Dank der langjährigen Partnerschaft liegt die Vergabe des Forschungsprojektes an das IMW für die staatlichen Stellen also nahe.

Themenschwerpunkte des Projektes

Dieses Forschungsprojekt wurde am 9. Januar unter dem Titel „Forschungszusammenarbeit zur wirtschaftlichen Bedeutung des Glücksspiels für Sachsen und sächsische Kommunen“ vorgestellt. Und auch wenn der Titel auf den ersten Blick klar zu erkennen gibt, worauf der Fokus liegt, sind die Themen doch etwas vielfältiger. Es soll vier Zentrale Themenschwerpunkte geben:

  • Analyse des Verhaltens der Spieler im Kontext der regionalen Besonderheiten beziehungsweise der allgemeinen wirtschaftlichen Lage
  • Regionalspezifisches Marketing für regional gebundene Lotterien
  • Die Bedeutung des Lottospiels für die Volkswirtschaft des Freistaates
  • Innovationen in den Bereichen Sport, E-Sport und Gaming

Die Analyse des Spielerverhaltens ist eines der Hauptuntersuchungsobjekte. Die Frage, ob wirtschaftliche Krisen die Bereitschaft für die Teilnahme an Glücksspiel erhöhen oder senken, ist definitiv interessant, da es kaum Forschungen in diesem Bereich gibt. Kritische Stimmen, zum Beispiel Selbsthilfegruppen zum Thema Glücksspielsucht, behaupten, dass gerade in Zeiten schwächelnder Konjunktur die Leute eher versuchen, das große Los zu ziehen. So würden Spieler in angespannten Lagen noch mehr Geld verlieren. Es werden aber auch andere Theorien vertreten, dass nämlich Spieler in Krisenzeiten ihr Geld eher zusammenhalten und auf unnötige Ausgaben verzichten würden.

Erkenntnisse, die sich aus diesem Bereich ergeben, sind die Ausgangsbasis für den zweiten thematischen Schwerpunkt, Marketing für Lotterien. Da bei Lotto noch das Glücksspielmonopol herrscht und es damit Ländersache ist, ist klar, dass Sachsenlotto hier eigentlich eine klassische Marktanalyse in Auftrag gibt.

Doch es geht dabei um mehr als um die Frage, wie Sachsenlotto besser für seine Angebote werben kann. Um die Auflagen, die das dem Monopol rechtfertigen, zu erfüllen, müssen die Lottostellen zeigen, dass sie die Prävention von Glücksspiel ernst nehmen. Sollten sich die Befürchtungen der Selbsthilfegruppen als wahr herausstellen, muss Sachsenlotto reagieren und die Marketingstrategien ändern.

Wahrscheinlich weniger spannend wird die Frage nach der Bedeutung des Lottospiels für die sächsische Volkswirtschaft. Sachsenlotto ist nicht nur der einzige Lottoanbieter Sachsens, er ist, wie bereits erwähnt, die einzige legale Option für Lottospieler im Freistaat. Demnach handelt es sich bei diesem Punkt wahrscheinlich um nicht mehr als eine Situationsanalyse. Diese könnte dann medienwirksam benutzt werden, um die Bedeutung von Lotto für die kulturellen und sozialen Projekte hervorzuheben. Denn die Einnahmen fließen nicht in den allgemeinen Haushalt, sondern werden überwiegend für die bereits erwähnten gemeinnützigen Projekte genutzt.

Eine Überraschung ist aber die Frage nach Innovationen im Bereich Sport, E-Sport und Gaming. Ein Zusammenhang mit der Online-Offensive von Sachsenlotto durch die Gründung „Die Spielbank“ liegt nahe. Möglich ist, dass Sachsenlotto neue Geschäftsfelder wie Wetten auf E-Sport-Turniere ausloten möchte. Da der E-Sport im Jahr 2021 in Deutschlandeinen einen Umsatz von 104 Millionen Euro erzielt hat, ist dies ein Markt, der für Sachsenlotto durchaus lukrativ sein kann. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass eine Ausrichtung auf klassische Sportwetten zu dem zukünftigen Unternehmensportfolio gehören soll.

Viele Details zu dem Forschungsprojekt sind noch nicht veröffentlicht, da die Zusammenarbeit aber sowohl kurz als auch langfristige Forschungsansätze verspricht, ist von einer mehrjährigen Kooperation auszugehen. Von attraktivem Glücksspiel mit regionsspezifischem Fokus profitiert aber nicht nur der Anbieter. Durch die Gemeinnützigkeit der Mittelverwendung ist die Finanzierung von sozialen und kulturellen Angeboten leichter möglich. Davon profitiert letzten Endes nicht nur der Freistaat, sondern auch Leipzig.

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